Rezension

Spagat zwischen zwei Welten

Der goldene Sohn - Shilpi Somaya Gowda

Der goldene Sohn
von Shilpi Somaya Gowda

Bewertet mit 4 Sternen

Anil wächst in einem indischen Dorf auf. Seine Familie ist wohlhabend und sehr angesehen. Wenn es nach seiner Mutter gehen würde, dann läge Anils Zukunft klar vor ihm. Denn sie möchte, dass er später den Platz des Vaters, als Familienoberhaupt und Schiedsmann, einnimmt und eine junge indische Frau heiratet. Doch Anil und sein Vater haben andere Pläne. Denn Anil fällt das Lernen unheimlich leicht, sodass er Medizin studiert. Als junger Mann bekommt er die Chance, seine Ausbildung in Dallas abzuschließen. Er bricht auf, um sich diesen Traum zu erfüllen. Seine Familie und seine Jugendfreundin Leena bleiben zurück. Während Anil in den USA außergewöhnliche Erfahrungen sammelt und schon bald zwischen zwei unterschiedlichen Welten hin- und herpendelt, begnügt sich Leena mit einem Leben nach indischer Tradition. Das Schicksal zeigt allerdings beiden, dass im Leben nicht immer alles nach Plan verläuft....

Der Einstieg in "Der goldene Sohn" gelingt relativ mühelos, denn Shilpi Somaya Gowda versteht es hervorragend, Handlungsorte und Protagonisten so lebendig zu beschreiben, dass man sie beim Lesen vor Augen hat. Das Kopfkino springt umgehend an, sodass man in die Geschichte eintauchen und fasziniert das Leben in Indien, mit seinen ungewohnten Gebräuchen, beobachten kann. Der flüssige und sehr angenehm lesbare Schreibstil sorgt außerdem dafür, dass man förmlich durch die Seiten fliegt.

Das Geschehen wird aus wechselnden Perspektiven betrachtet. Denn man schaut Anil in seinem neuen Leben in den USA über die Schulter. Beobachtet, wie es bei Leena weitergeht und bekommt durch Rückblicke in die Vergangenheit einen Eindruck von Anil und Leenas Kindheit. Außerdem gewähren Schiedsverhandlungen einen Einblick in das indische Leben.

Anils Spagat zwischen den beiden Welten wird anschaulich beschrieben. Man kann sich meist gut in ihn hineinversetzen, auch wenn man ihn zuweilen etwas distanziert beobachtet. Leena wirkt vom ersten Moment an sympathisch. Man fiebert regelrecht mit ihr mit und beobachtet ungläubig, wie ihr Leben verläuft und wie die indische Tradition damit umgeht.

Eine romantische Liebesgeschichte braucht man hier nicht zu befürchten, denn dieser Roman hat deutlich mehr zu bieten. Die Geschichte ist durchgehend interessant  und regt zum Nachdenken an. Manchmal mag man kaum glauben, was das Schicksal beiden Protagonisten abverlangt. Allzu zartbesaitet sollte man beim Lesen der entsprechenden Szenen nicht sein. Auch wenn  gängige Klischees bedient werden, überrascht das Buch mit einigen Wendungen.

Ich habe mich beim Lesen sehr gut unterhalten und konnte ganz in die fremde Welt eintauchen. Die unterschiedlichen Handlungsstränge wirkten auf mich durchgehend interessant. Allerdings muss ich zugeben, dass mir einige Wendungen etwas zu klischeehaft erschienen und dass das Ende auf mich ein wenig überstürzt wirkte. Deshalb ziehe ich auch ein Bewertungssternchen ab.