Rezension

Spanien im Nebel

Der Preis, den man zahlt - Arturo Pérez-Reverte

Der Preis, den man zahlt
von Arturo Perez-Reverte

Bewertet mit 4 Sternen

Manche Menschen scheinen zu Schlitzohren geboren. Lebenskünstler, die sich durch dunkles Fahrwasser begeben und deren Kunst den virtuosen K.O.-Schlag innerhalb von drei Sekunden meint. Und die tagsüber zwar gefährlich aber auf Frauen begehrenswert gefährlich wirken. Lorenzo Falcó ist so ein Lebenskünstler, ein Geheimdienstler oder Spion oder so ähnlich. In Spanien ist der Bürgerkrieg ausgebrochen. Die nationale Front kämpft gegen die eigenen Landsleute, die Republikaner, die Roten. Ein undurchsichtiges Geflecht von verschiedenen Gruppen auf beiden Seiten. Während bei den Nationalisten vor allem das Militär die Fäden in den Händen hält, stehen auf der Gegenseite Republikaner, Anarchisten und Kommunisten mehr recht als schlecht zusammen. Durch Spanien webt sich ein Teppich aus Spionen aller Herren Länder. Vor allem die Deutschen und Italiener unterstützen Franco und seine Truppen, teilweise sogar aktiv, während sich die Franzosen und Briten heraushalten und die Sowjetunion versucht sich gegen den Faschismus zu wehren und die Roten unterstüzt.
Falcó wird aus dem nationalistischen Salamanca in das rote Alicante entsendet, um einen hochrangigen Falangisten der ersten Stunde aus dem Gefängnis zu befreien, zumindest soll er den Weg für das Befreiungskommando im Vorfeld ebnen und sich mit den heimlichen Nationalisten vor Ort zusammentun. Und dann nimmt der gesamte Auftrag plötzlich eine Wendung, in der Falcó Mühe hat sein eigenes Leben zu retten.
Spanien als politisches, militärisches und menschliches Minenfeld erschüttert mich als Leser. Pérez-Reverte versteht es, seine charismatische Hauptfigur trotz seiner Gräueltaten dennoch in eine heldenhaftes Licht zu setzen. Davon bin ich nachhaltig beeindruckt. Ebenso von der Darstellung der politischen Machtkämpfe innerhalb der eigenen Reihen. Die Komplexität der Machtstrukturen enthüllt Pérez-Reverte wie nebenbei. Sein Super-Spion wird Spielball dieser Machtkämpfe und hat Mühe kurzzeitig die Welt zu verstehen. Doch Falcó ist ein Lebenskünstler und ordnet seine eigenen Interessen nur bedingt unter. Er lässt sich von den Ideologien beider Seiten nicht einfangen und versucht einen klaren Kopf zu behalten. In diesem Roman gibt es kein schwarz und weiß. Ganz Spanien ist von Grauschleiern durchzogen, und vielerorts ist die Sicht durch diesen Nebel nicht möglich. Die aggressive kämpferische Atmosphäre ist von eigenartiger Spannung, die sich voll auf die Hauptfigur richtet. Mit Lorenzo Falcó steht und fällt die Geschichte, seine Beziehungen lassen für mich als Leser ab und an den Nebel lichten und einen Blick auf das große Ganze werfen. Meisterhaft erzählt ist auch der innere Widerspruch im Helden selbst, der nur ganz allmählich an die Oberfläche tritt und der Figur seine Tiefe verleiht. Ich bin durchaus nicht abgeneigt, auch beim Nachfolgeband zuzugreifen.