Rezension

Spannend!

Konklave - Robert Harris

Konklave
von Robert Harris

Bewertet mit 4.5 Sternen

Der Papst ist tot, und die wahlberechtigten Kardinäle versammeln sich, um im Konklave einen neuen Pontifex zu wählen. Kurz bevor die Türen zur Abstimmung verschlossen werden, taucht ein weiterer, unbekannter Kardinal auf... und die Wahl beginnt.

 

Dies war das erste Buch, das ich von Robert Harris gelesen habe, und es ging runter wie Öl. Obwohl als Genre "Thriller" angegeben wird, kommt dieses Buch ganz ohne Blut oder wilde Verfolgung aus (so zumindest stelle ich mir immer Thriller vor, die ich nie lese); auf dem Cover steht aber "Roman"; ich würde sagen: es ist ein "spannungsvoller Roman", wobei die Spannung durch das Ausbleiben von Ereignissen, besonders durch das eine, ersehnte Ereignis, geschaffen wird: die Ernennung des neuen Papstes. Gleichzeitig erfährt man vieles, was einem vor dem Fernseher sonst nicht gezeigt wird: was unter dem Kamin mit dem schwarzen Rauch passiert bzw. passieren könnte - so ganz sicher kann man ja nicht sein, obwohl der Autor in der Danksagung Namen und Orte nennt, die auf genaue Recherchen schließen lassen.

"Konklave" bietet viele interessante Charaktere, allen voran der Erzähler Kardinal Lomeli, ein sehr sympathischer, alter Mann, den laut Klappentext eine "Glabenskrise" plagt; ich persönlich empfinde diese Beschreibung seines Zustandes als etwas oberflächlich. Zwar wird oft davon geschrieben, dass Personen von dieser Krise sprechen, die tatsächlichen Empfindungen gehen aber eher in Richtung Zweifel an der Institution Kirche und der eigenen Aufrichtigkeit im Glauben denn am Glauben allgemein. Immer wieder durchdringt den Kardinal nämlich der Heilige Geist, oder es werden ihm Antworten und Anregungen von oben eingegeben, die diesen wirklich liebenswerten Charakter in ihrer Befolgung oder Erfüllng noch liebenswerter und zum Ende hin sehr mutig erscheinen lassen. 

Der Leser wird in eine ziemlich fremde Welt gestoßen, die aber durch den angenehmen, schnörkellosen Schreibstil und die genauen Beschreibungen von Orten und Gegebenheiten recht zugänglich gemacht wird. Auch wird gezeigt, wie gespalten die Kirche in ihrem Inneren ist; statt gemeinsam im Gebet vertiegt zu sein und sich gegenseitig zu huldigen, gibt es tatsächlich verschiedene Lager unter den Kardinälen - Liberalisten, Traditionalisten etc.-, die durchaus auch mal ihre eigenen Ziele verfolgen und in etwaige Skandale verwickelt sind. Und, was als Leser vielleicht am meisten erstaunt: dass die allermeisten das Papstamt scheuen und sogar andere Kardinäle anflehen, sie nicht zu wählen. Immer wieder werden lateinische Begriffe eingeführt (und zum Glück auch meist erklärt) sowie Bibelzitate oder Gebete eingestreut, sodass alles sehr autentisch wird. Zum Ende hin nimmt die Geschichte, die bis dahin in einen angenehmen, kurzweiligen Gleichlauf geraten ist, eine abrupte und überraschende Wendung. Und schließlich endet alles dann in gerade tragikomischer Weise mit einem resignierten Augenzwinkern, und wer zwischen den Zeilen liest erkennt durchaus die Botschaft des Autors, der anscheinend wie Lomeli auf eine weltoffene, tolerante Kirche hofft. 

Einen halben Stern ziehe ich dennoch wegen einiger kleiner "Mängel" ab; z.B. ist recht schnell vorhersehbar, wer letztendlich zum Papst gewählt wird; auch ist der Klappentext etwas irreführend, der dem unbekannten Kardinal mehr Bedeutung zuschreibt, als er eigentlich für den Verlauf der Geschichte hat. Auch wirken die vielen kleinen Wenungen und Skandale im Verlauf des Konklaves oft etwas konstruiert (hoffen wir, dass sie es sind!). Das exzellente und hochinteressante Lesevergnügen erhält also 4,5 Sterne.