Rezension

Spannend, aber für mich kein Highlight

Long Live Evil -

Long Live Evil
von Sarah Rees Brennan

Der Traum eines jeden Bücherwurms: Einmal in die eigene Lieblingsgeschichte eintauchen und in die Rolle der Heldin Schlüpfen - nur dass die Bösen immer viel mehr Spaß zu haben scheinen. Das denkt sich jedenfalls Rae, als ihr die unglaubliche Chance geboten wird, in ihre Lieblingsbuchreihe „Zeit des Eisens“ einzutauchen. Im echten Leben wartet nur der Krebs, nicht enden wollende Schmerzen und Wut über vergangenes Unrecht. Warum also sollte sie nicht ihr Glück als waschechte Schurkin versuchen und mal alle Moral in den Wind schießen? Sie hat nichts zu verlieren und alles zu gewinnen. Doch während Rae fleißig daran arbeitet sich schurkische Gehilfen zu suchen und den Plot zu ihren Gunsten zu formen, beginnt sich die Geschichte um sie herum auf unvorhersehbare Weise zu verändern.

Sarah Rees Brennan hat mit „Long Live Evil” ein sehr vielversprechendes Buch geschrieben, das mit seiner Inhaltsbeschreibung sofort mein Interesse geweckt hat. Die Rolle einer Schurkin aus dem eigenen Lieblingsbuch übernehmen? Wie cool! Während ich also noch sehr enthusiastisch ins Buch gestartet bin, konnte sich die Begeisterung nicht allzu lange halten.
Ich will in keinem Fall sagen, dass ich das Buch nicht gut fand, allerdings fällt es mir schwer es für mich einzuordnen. Es war eins dieser Bücher, das sich gut lesen lässt, wenn man es erstmal in der Hand hat, aber legt man es hin, braucht es Überwindung es wieder aufzunehmen. Jedenfalls ging es mir die meiste Zeit so. Ich habe auch recht lang für die knapp 600 Seiten gebraucht.
Ich glaube im Kern war mein größtes Problem, dass mir in Allem irgendwie die Balance gefehlt hat. Das World-Building war interessant, aber man wird regelmäßig mit massenweisen Informationen zugeschüttet. Gerade zu Anfang war das etwas überwältigend. Auch das Tempo habe ich immer wieder als unausgeglichen empfunden. An mancher Stelle war es super mitreißend und an anderer wird es über Seiten hinweg schleppend. Die Geschichte ist von Anfang bis Ende durchzogen von Komik und nicht selten begegnet man einem düsteren Witz, was einerseits sehr zu Rae und ihrer Situation passt, andererseits wurde es mir teilweise etwas zu sehr ins Lächerliche gezogen. Die über mehrere Seiten vollständig ausgeschriebene Musical-Nummer war mein persönliches „zu viel des Guten“.
Ein letzter Punkt, der mir Schwierigkeiten bereitet hat, sind die Charaktere. Das Buch nimmt durchweg und auf witzige Weise die gängigsten, vielleicht auch etwas veralteten Fantasy Klischees auf die Schippe, von der reinen und allseits geliebten Heldin hin zum listigen Ränkeschmied, an dem kein gutes Haar gelassen wird. Das sorgt zwar regelmäßig für Lacher und macht durchaus Spaß beim Lesen, je weiter ich kam, desto eher bekam ich allerdings den Eindruck, dass es die Autorin auch damit ein bisschen zu weit getrieben hat. Wenn im Grunde jede Figur nur darauf ausgelegt ist, die Parodie eines gängigen Fantasy-Archetypus zu verkörpern und in ihren Motiven und Entscheidungen einzig und allein daran festgemacht wird, habe ich keinen Anreiz mich für sie zu begeistern oder an ihrem Schicksal zu hängen. Dann sind es einfach eine menge Figuren, die nur da sind, um ihren Zweck zu erfüllen.  Aus diesem Grund fand ich auch die gelegentlich eingeschobenen Perspektivwechsel eher uninteressant. Etwa die Kapitel aus der Sicht von Lord Marius, der letzten Hoffnung. Er übernimmt in die Rolle des „weißen Ritters“, dessen Ruf und Moral nach außen hin ohne Tadel sind, der innerlich jedoch einige Dämonen zu bekämpfen hat. Sein Handeln und seine Wahrnehmung sind so stark vom Klischee geleitet, dass ich darin kaum einen Mehrwert für die Story finden konnte.

Letzten Endes hat mich an diesem Buch am ehesten die Handlung gefesselt. Es ist ein unterhaltsamer Seiltanz zwischen Vorhersehbarem und Unvorhersehbarem, der mich immer wieder bei der Stange gehalten hat. Dadurch dass Rae eine Version der Handlung kennt, wenn auch nur lückenhaft, glaubt man zu ahnen, wie sich die Dinge entwickeln, muss aber, wie die Protagonistin selbst, relativ schnell feststellen, dass der Plot an den unvorhersehbarsten Stellen in eine ganz unerwartete und unbekannte Richtung abbiegt.

Alles in Allem war Long Live Evil für mich kein herausragendes Buch, aber eins, das doch viel Spaß gemacht hat beim Lesen. Wenn man sich ein wenig auf die Albernheiten darin einlässt, kann man sich definitiv von der Geschichte mitreißen lassen.