Rezension

Spannend, aber mit Klischees

Die Stunde der Reporterin -

Die Stunde der Reporterin
von Renée Rosen

Bewertet mit 3 Sternen

Im Jahr 2023 sind Frauen in Nachrichtenredaktionen, als politische Korrespondentinnen und als Berichterstatterinnen an Brennpunkten mittlerweile selbstverständlich. In "Die Stunde der Reporterin" zeigt die Autorin Renee Rosen, dass das nicht immer so war. Denn ihre Ich-Erzählerin und Protagonistin Jordan Walsh war zwar auf der Journalistenschule erfolgreich, sieht sich beim Einstieg in der "Chicago Tribune" in den 1950-er Jahren aber erst mal am Katzentisch, sprich, bei den "Frauenthemen". Statt über harte Nachrichten zu schreiben, muss sie von Hochzeitsempfängen der Prominenz berichten, über Rezepte und Mode schreiben. Das ist nun gar nicht das, was der aus einer Zeitungsfamilie stammenden Jordan vorschwebt.

Hinzu kommt: Seit dem Unfalltod ihres älteren Bruders, der bei der gleichen Zeitung arbeitete (und es natürlich gleich in die Nachrichtenredaktion schaffte), hat sie das Gefühl, in seine Fußstapfen zu treten, auch um ihre Eltern wieder ins Leben zurück zu holen. Denn die versinken in Trauer und Alkohol, der Vater reagiert gleichgültig bis ablehnend auf Jordans Ambitionen. Mit Ehrgeiz und Engagement, aber auch mit Hilfe eines Informanten, der sie aus einem lange unbekannten Grund ausgewählt hat, kämpft sich Jordan durch - inmitten einer Stadt voller Skandale und Korruption.

In "Die Stunde der Reporterin" wird so manches Klischee der ewig pichelnden Journalisten ausgewälzt, es wird gequalmt und getrunken, was das Zeug hält. Jordan ist schon aufgrund ihrer Herkunft und Bekanntschaften sehr privilegiert, sich dessen aber nicht so recht bewusst, wenn sie ihre Kolleginnen eher leicht verächtlich beschreibt. Klar, das old boys network arbeitet gegen Jordan - aber dass sie glaubt, die älteren Kollegen würden Tipps und Kontakte mit ihr teilen, ist denn doch ein bißchen naiv - sie käme umgekehrt schließlich auch nicht auf den Gedanken, exclusive Quellen offen zu legen.

Dazu kommt, dass Jordan bei allem verständlichen Ehrgeiz Methoden anwendet, die dem journalistischen Ethik-Codex klar widersprechen und die rechtlich sehr problematisch sind. Gelegentlich neigt sie dazu, nur sich zu sehen und zu dramatisieren, dabei aber anderen Egoismus vorzuhalten. Insofern ist sie eine Protagonistin, die bei mir eher  zwiespältige Reaktionen auslöst.  Mitunter ist mir das Buch ein wenig zu gefühlig, aber als historisch-emanzipatorischer Frauenroman, der auch unterhalten soll, durchaus gelungen.