Rezension

Spannend, aber nicht herausragend.

ZERO - Sie wissen, was du tust - Marc Elsberg

ZERO - Sie wissen, was du tust
von Marc Elsberg

Bewertet mit 3 Sternen

Zitat:

“Es kümmert dich einen Scheißdreck, was die über dich wissen oder was sie mit diesem Wissen tun! Aber wehe, es passiert etwas! Dann jammerst du! “Wie konnte das nur geschehen? Warum dürfen die das? Das habe ich nicht gewusst!” Falsch! Das wolltest du nicht wissen!” (S. 85)

“”Sagt ausgerechnet jemand, der anerkanntermaßen Schwierigkeiten hat, andere Menschen überhaupt zu verstehen! Entschuldige bitte, dass ich persönlich werden muss. Aber das jemand mit einem psychischen und sozialen Problem die Grundregeln des menschlichen Zusammenlebens schreibt, ist absurd, findest du nicht?”” (S. 344)

“”Was hältst du davon?” – “Keine Ahnung. Klingt ziemlich verrückt. Obwohl – hätte mir jemand vor drei Jahren erklärt, dass wir beide mal per Brille quatschen, hätte ich ihn auch für verrückt erklärt.”” (S. 460)

Fazit:
In der vorangestellten Anmerkung macht Elsberg es deutlich: Alle verwendeten Technologien werden tatsächlich verwendet. Nichts davon ist eine Utopie. Das hinterlässt einen natürlich erst mal verstört, wenn man das Buch beendet hat. Es bereitet mir dezente Übelkeit, wenn ich daran denke, was man bei den von mir gesammelten Daten alles so erfährt. Auch vor der Buchlektüre sind mir die vielen – teilweise neu angebrachten – Kameras in den Bahnhöfen und U-Bahnen oder an öffentlichen Orten aufgefallen. Und es missfällt mir. Manchmal mehr, manchmal weniger. Manchmal entscheide ich mich aktiv dafür, dass es mir egal ist. Manchmal gruselt es mich vor einer Kamera am Bahnhof. Oder im Whirlpool im Saunapark. ^^

Gerade im Zusammenhang mit dem ersten Zitat oben möchte ich noch etwas anbringen: Ich persönlich sammele zum Beispiel Payback-Punkte. Ausgiebig, weil ich daraus massiv Vorteile erziele. Mir ist allerdings absolut bewusst, dass dadurch mein Einkaufsverhalten gespeichert wird und ich auf mich zugeschnittene Werbung bekomme. Das ist der Preis den ich bereit bin dafür zu zahlen, dass ich alle paar Wochen für einen Gutschein einkaufen kann, weil ich genug Punkte gesammelt habe. Das Buch ist sicherlich gut um das Bewusstsein zu schärfen, aber es wäre in meinen Augen falsch, wenn es Angst macht. Einfach nur skeptisch bleiben, hinterfragen, aber niemals alles verteufeln.

Manches im Buch lässt mich aber auch skeptisch zurück. Selbst wenn all diese Technologien existieren und genutzt werden – was ich in keinster Weise anzweifel, weil ich selbst genug Leute kenne die tracken (Plant Nanny ist ja auch nur ein kleines Beispiel… ) – dann sollte doch immer noch irgendwo der gesunde Menschenverstand hinter stehen, oder? Auch als Jugendlicher. Selbst wenn mir eine App 100 Tipps gibt, ich habe immer noch die Entscheidung, ob ich es mache oder nicht. Sofern ich skeptisch bleibe. Und diese Skepsis geht scheinbar fast allen Personen im Buch verloren. Und vermutlich auch in der Gesellschaft generell… Es ist also schwer das dem Buch anzukreiden, aber es hinterlässt einen faden Beigeschmack.

Was ich dem Buch allerdings ankreiden kann ist die Kapitellänge. Der Buchstruktur ist es geschuldet, dass sie sehr lang sind. Das macht inhaltlich sicher Sinn, ist aber einfach nicht meins. So lange Kapitel lassen mich müde und unaufmerksam werden und erschweren mir den Lesegenuss ungemein.

Ich finde es beeindruckend welche Recherche-Leistung hinter diesem Buch stecken muss. Ich bin begeistert vom Glossar (auch wenn ich es letztendlich nur überflogen habe) und von dem Personenverzeichnis. Letzteres ist auch wirklich nötig, ich habe häufiger den Überblick verloren. Mich begeistern Verweise auf George Orwell (Ich muss 1984 unbedingt noch mal lesen. Das ist über 10 Jahre her…) und an der ein oder anderen Stelle (“Gamification” \o/) muss ich schmunzeln und fühle mich ertappt.

Ich habe mich gut unterhalten gefühlt und natürlich war es spannend. Dennoch hat es mich nicht gänzlich mitgerissen. Viele Verhaltens- und Handlungsweisen im Buch konnte ich nicht nachvollziehen. Immer mal wieder war es etwas zu trocken für mich oder zu technisch. Mich wirklich mit jemanden identifizieren konnte ich auch nicht. Ich war nicht traurig drum, als das Buch durch war und fand das Ende jetzt auch nicht gänzlich überzeugend. Es ist ein gutes Buch, die allgemeine Begeisterung kann ich aber nicht ganz nachhvollziehen.