Rezension

Spannend, authentisch, innovativ

2049 - Manfred Lafrentz

2049
von Manfred Lafrentz

Klappentext:
Außerirdische Androiden haben die Erde unter ihre Kontrolle gebracht, um das Bewusstsein der Intelligentesten und Begabtesten einzusammeln und in Software zu verwandeln. Robert ist eines dieser Kinder, die seit ihrer Geburt auf jene „Große Vereinigung“ vorbereitet werden und freut sich darauf, mit Vollendung seines dreizehnten Lebensjahres im kollektiven Bewusstsein der „Sammler“ durch die Galaxis zu sein.
Aber als er dem Rebellenmädchen Micki begegnet, geraten seine Überzeugungen ins Wanken. Ist sein bisheriges Leben nur eine Lüge? Wollen die Sammler gar nicht das Beste für ihn und die anderen Auserwählten? Robert muss sich entscheiden: Führt er sein vorgegebenes Leben fort oder wählt er den Weg der Rebellen?

Einordnung:
"2049: Rebellion gegen die Sammler" ist eine einzelne Geschichte und nicht Teil einer Reihe.

Rezension:
Im Jahre 2049 gibt es viele technische Neuerungen. Autos fahren selbst, Häuser können sprechen und Unterhaltungsprogramm liefert die Medienkarte. Die Welt hat sich zudem immer mehr in einen Überwachungsstaat verwandelt. Beim Betreten des Einkaufszentrums müssen die Menschen sich durch ihre Karten elektronisch ausweisen, in der gesamten City gibt es Überwachungskameras.
Doch gleichzeitig kann man auf Wunsch das Auto noch immer selbst steuern. Es gibt Bollywood-Filme, Bargeld und Dönerbuden. Das ist der Punkt, der mit an diesem Buch besonders gut gefällt. Trotz neuen Technologien lässt sich unsere heutige Welt noch immer erkennen. Es ist „glaubwürdiger, wenn das Neue das Alte allmählich überwuchert“, wie mir auch der Autor, Manfred Lafrentz, bestätigt hat. Natürlich wird sich einiges verändern bis zum Jahr 2049, doch die besonderen Kennzeichen unserer Zeit werden noch erhalten sein – so lange dauert das schließlich nicht mehr. Das Buch findet genau die richtige Mischung zwischen Weiterentwicklung und Fortbestand.
Doch nicht nur dieses Detail sorgt für unglaubliche Authentizität. Viele andere Handlungen, Gedanken und Gefühle spielen dort ebenfalls mit hinein. Ein Beispiel ist das Fach „Sehen und nicht wollen“. Darin wird von allen Auserwählten die völlige Aufgabe der eigenen Wünsche und der Bedürfnisse nach materiellen Besitztümern verlangt. Doch obwohl Robert ein sehr guter Schüler ist und sich sehr auf die „Große Vereinigung“ freut, ist er nicht in der Lage, die heimlichen Wünsche zu verdrängen.
Als Robert auf Micki trifft, wird er zum ersten Mal damit konfrontiert, dass seine heile Welt vielleicht nur eine Lüge ist. Hier und während des ganzen Buches werden Roberts Zweifel authentisch geschildert. Er ist die ganze Zeit nicht in der Lage, sich vollkommen einer Seite zu verschreiben. Schon immer hat eine unterschwellige Angst in ihm gewohnt, da sein Körper bei der Vereinigung vernichtet wird. Daher gelingt es ihm nicht, Mickis Worte völlig abzulehnen. Doch aufgrund seines Stolzes, ein Auserwählter zu sein, kommt es auch nicht zu einer sofortigen Flucht zu den Rebellen.
Ebenfalls positiv anzumerken ist, dass in diesem Buch über den Tellerrand hinaus geschaut wird. Ebenso wie Robert erfährt der Leser, dass die Sammler überall auf der Welt gelandet sind, dort Kinder auserwählen und ihre Schulen bauen. Daher ist es nur natürlich, dass es auch in vielen Ländern Rebellen gibt, die versuchen, sich zu koordinieren. Die City, in der Robert und die Rebellengruppe, der Micki angehört, leben, sind nur Beispiele für den Leser.
Die Geschichte spielt mit vielen verschiedenen Motiven. Erschreckend deutlich werden die Möglichkeiten, Kinder zu manipulieren. Bereits im Alter von einem Jahr werden die Kinder von den Sammlern auserwählt und bis zu ihrem dreizehnten Geburtstag in eigenen Schulen ausgebildet. Im Endeffekt sind sie vollauf begeistert von der „Großen Vereinigung“ und haben sich der Sache der Sammler voll und ganz verschrieben. Die Sammlerakademie kommt ihnen vor wie das Paradies. Und sie bemerken nicht einmal, dass ihre noch nicht gefestigten Grenzen langsam aufgeweicht und ausgedehnt werden.
Des Weiteren ist der Abschnitt über die Faszination der Masse erwähnenswert. Aus Verzweiflung verbreitet Micki in den Nachrichten, dass die Randbereiche der City geräumt und die Häuser abgerissen werden sollen. Daraufhin strömen die Menschen in Scharen in die City. Ich finde es unglaublich faszinierend, wie eine einzelne Nachricht ganze Menschenmassen mobilisieren kann. Der kleine Funken breitet sich aus zu einem riesigen Feuer, das von selbst brennt, allerdings auch unkontrollierbar wird. Das hat bei mir wirklich eine Gänsehaut ausgelöst.
Im Laufe der Geschichte wird auch eine erschreckende Perspektive für die Zukunft aufgezeigt. Seit die Sammler, die alle technischen und mathematischen Probleme gelöst haben, von denen die Menschheit noch stand, auf der Erde sind, ist der Drang nach Weiterentwicklung verschwunden und die Neugier versiegt. Die Rebellen machen sich Sorgen darüber, ob ein Verschwinden der Sammler zum Aussterben der Menschheit führen könnte. In diesem Zusammenhang stellt Robert fest, dass die Menschen vielleicht einfach noch nicht bereit für die Technologien der Sammler sind. Die unglaublichen Entwicklungen kommen einfach zu früh. Wir sind noch nicht bereit für die Unsterblichkeit.
Zum Schluss wird dann noch die Frage aufgegriffen, welche Merkmale uns Menschen menschlich machen. Welche Dinge unterscheiden uns von Robotern und Maschinen wie den Sammlern? Manfred Lafrentz hat darauf eine interessante Antwort gefunden: Es macht uns menschlich, verrückte Dinge zu träumen und an unlogische Dinge zu glauben. Die menschlichste aller Eigenschaften ist die Phantasie.

Mein Lieblingssatz: „Toll, du blöder, verlogener, silberner Blecheimer!“ (Seite 122, Roberts Gedanken über einen Sammler)

Fazit:
Eine sehr gelungene Dystopie. Geschicktes Wechseln zwischen Roberts und Mickis Perspektive beleuchtet alle Aspekte einer Situation, der Schreibstil ist angenehm und bildlich und die Authentizität zieht sich ein roter Faden durch die Handlungen, Gedanken und Gefühle aller Charaktere. Deshalb bekommt „2049 – Rebellion gegen die Sammler“ von mir ganz klar fünf Schreibfedern!