Rezension

Spannend, fesselnd und tragisch

Cujo - Stephen King

Cujo
von Stephen King

Bewertet mit 4 Sternen

Diese Geschichte verbeißt sich im Kopf des Lesers und lässt so schnell nicht wieder los.

Im beschaulichen Städtchen Castle Rock ist der gutmütige Bernhardiner Cujo gleichermaßen bekannt und beliebt. Doch als er eines schönen Sommertages einem Kaninchen hinterherjagt und es in einer Höhle in die Enge treibt, wird er durch den Biss einer Fledermaus mit Tollwut infiziert. Weder seine Familie, noch die arglosen Stadtbewohner ahnen, was nun auf sie zukommt – der Tod stattet Castle Rock erneut einen Besuch ab, dieses Mal in Gestalt eines zwei Zentner schweren, tollwütigen Hundes.

Leseeindruck

"Cujo" erschien im Original bereits 1981, gilt als Teil des Castle-Rock-Zyklus und wurde auch verfilmt. Wie in fast allen seiner Werke finden sich auch hier etliche Verweise auf andere King-Romane, weshalb es sich durchaus empfiehlt, Kings Geschichten der Reihe nach zu lesen – allein schon deshalb, um in den vollen Genuss des Gesamtbildes zu kommen. Insbesondere wird hier gerade zu Beginn Bezug auf "Dead Zone - Das Attentat" genommen. Aber auch ohne dieses oder andere Werke des Meisters zu kennen, ist "Cujo" ein wirklich lesenswerter Roman, der mit drei virtuos parallel erzählten Handlungssträngen punktet und ein wahrer Pageturner ist.

Gekonnt konfrontiert King einmal mehr seine arglosen Figuren mit dem Bösen, das – seiner treuen Leserschaft ist das nicht neu – bekanntlich hinter jeder Ecke lauern kann: "Guten Menschen passieren böse Dinge, weil das Leben einfach so ist." Und hier trifft es nicht nur überwiegend gute Menschen, sondern auch einen großen, liebenswürdigen Bernhardiner. Indem King einige wenige Passagen auch aus Hundesicht schreibt, erlebt der Leser Cujos Leidensweg hautnah mit. Nicht ganz einfach für mich als "Hundemama" zu ertragen, zumal der Verlauf der Krankheit bekanntermaßen mit dem qualvollen Tod endet. Cujo ist somit der tragische Held der Geschichte. Unschuldig obgleich er mordet – ein Opfer der Krankheit, für die er nichts kann.

Die oben erwähnten drei Handlungsstränge werden parallel erzählt. Das Hauptthema befasst sich mit Donna Trenton, die mit ihrem vierjährigen Sohn Tad im Auto festsitzt und von dem tollwütigen Cujo belagert wird. Doch bis es soweit ist, stehen die beiden anderen Handlungsstränge im Vordergrund. Zum Einen die drohende Pleite der Werbefirma von Vic (Donnas Ehemann) und dessen Partner, die die beiden in einem letzten verzweifelten Versuch abwenden wollen und deshalb nach New York reisen. Am letzten Abend vor dem Flug muss der gebeutelte Vic der nackten Tatsache ins Auge sehen, dass seine Ehe mit Donna kurz vor dem Aus zu stehen scheint. Und dann ist da noch Handlungsstrang Nummer Drei, der sich mit Cujos Familie, den Cambers befasst. Vater, Mutter und Sohn – leider keine kleine, glückliche Familie, da Joe sich nur auf eines gut versteht: Maschinen reparieren. Seine Vorstellung von Ehe und Erziehung hingegen hätte eine sorgfältige Überarbeitung dringend nötig und so zückt er gern mal den Gürtel, um seiner Frau Charity die "richtige" Denkweise anschaulich zu vermitteln. Doch Charity ist nicht dumm und setzt alles daran, ihren Sohn rechtzeitig aus dem Wirkungskreis des Vaters zu manövrieren, bevor er dessen Weltanschauung und Brutalität übernimmt. Drei Geschichten, die miteinander verwoben sind und doch auch eigenständig funktionieren. Jede für sich unglaublich spannend und durch die parallele Erzählweise in ihrer Wirkung noch zusätzlich gesteigert. Interessant ist hierbei wie gegensätzlich die einzelnen Charaktere in ihren ähnlich gelagerten Rollen doch sind. Und trotzdem stecken sie alle in verheerenden Schwierigkeiten. Donna handelt zwar eigenständig, ist aber m. E. zu naiv. Um die an die Wand gefahrene Ehe zu retten, tut sie nicht sonderlich viel, bezieht lieber Wartestellung. Das Gegenteil von ihr ist Charity, die fromm, folgsam und sparsam ist. Zudem ist sie cleverer, als es den Anschein hat. Beide Frauen haben im Handlungsverlauf jedoch eines gemeinsam: Sie müssen selbst aktiv werden, über sich hinauswachsen, um ihr Ziel zu erreichen und zu (über)leben. Vic und Joe halten beide stark an ihren Familien fest, wenn auch aus völlig unterschiedlichen Beweggründen heraus. Während der Eine von Herzen liebt und beschützt, möchte der Andere kontrollieren und beherrschen. Die beiden Söhne sind sich trotz des Altersunterschieds sehr ähnlich. Beide sind sehr feinfühlig und haben ein gutes Gespür für die Probleme der Erwachsenen. Hier zeigt sich einmal mehr, dass Kinder wie Rohdiamanten sind und erst durch ihre Umgebung, Erziehung und Erfahrungen feingeschliffen werden.

Insgesamt gelingt King auch hier wieder eine hervorragende Charakterstudie, verpackt in einer spannenden, blutigen und auch tragischen Geschichte. Erst das Zusammensetzen aller Puzzleteile ergibt das große Ganze – ein Gesamtbild, das sich wie eine Fotografie aus vielen einzelnen Pixeln zusammensetzt. Mit Abstand betrachtet ist es nur ein mordender Hund, der wahllos tötet, doch sieht man genauer hin, ist es so viel mehr.

Fazit

Eines von Kings früheren Werken, das er in einer seiner wohl größten Schaffensphasen, aber auch zu der Zeit seiner Alkoholabhängigkeit geschrieben hat. An den eigentlichen Schreibprozess kann er sich bekanntlich selbst kaum noch erinnern und im Rückblick bedauert er dies sehr: "Das sage ich nicht mit Stolz oder Scham, sondern mit einem verschwommenen Gefühl von Trauer und Verlust. Ich mag das Buch. Ich würde mich gerne daran erinnern, wie ich die guten Stellen niederschrieb." (Zitat aus "Das Leben und das Schreiben") Für mich ist "Cujo" ein spannender, fesselnder und tragischer Roman mit einem tollen Plot, starker Charakterzeichnung, Tiefgang und Nervenkitzel. Diese Geschichte verbeißt sich im Kopf des Lesers und lässt so schnell nicht wieder los.