Rezension

spannend konstruiert, aber inhaltlich etwas antiquiert

Janes Roman -

Janes Roman
von Catherine Cusset

Bewertet mit 4 Sternen

Janet Cook, Professorin für Französische Literatur an der (fiktiven, an Yale angelehnten) Devayne University in Old Newport, findet eines Tages im Eingang ihres Hauses ein Paket ohne Absender, das ein Manuskript eines Romans über ihr Leben beinhaltet. Der Autor oder die Autorin des Manuskripts weiß erstaunlich detailliert über Janes Alltag und ihr Liebesleben Bescheid. Jane ist während der Lektüre gleichermaßen fasziniert wie beunruhigt und verdächtigt abwechselnd bald alle Personen ihres Umfelds, der/die anonyme Verfasser/in des Manuskripts zu sein…
Der Roman wurde bereits 2001 erstmals auf Deutsch veröffentlicht und erscheint nun in einer Neuausgabe im Eisele Verlag. Die Handlung spielt in den Jahren 1991 bis 2000.

Die erste Textebene um Jane, die mit einem Mix aus Neugier, Unbehagen, Scham und Faszination den anonym verfassten Text liest und herauszufinden versucht, wer diesen geschrieben haben könnte, umrahmt die Binnenerzählung des Manuskripts, die Janes Leben in den letzten neun Jahren akribisch und bis ins Intimste beschreibt. Diese sich abwechselnden Textebenen sind geschickt konstruiert und miteinander verwoben, wobei die Rahmenhandlung wesentlich weniger Raum einnimmt. Hier hätte mich an einigen Stellen eine noch detailliertere Reflexion des Manuskripttextes durch Jane interessiert, die hier mit einer Interpretation ihrer Gefühlswelt durch einen geheimnisvollen Dritten konfrontiert wird.

Jane bleibt für mich eine schwer zu fassende Figur. An vielen Stellen fühlte ich mit ihr, an anderen wollte ich sie einfach nur wachrütteln oder ihr ins Gewissen reden. Im realen Leben wäre ich mit ihr wohl nicht warm geworden. Ihre Verlustängste, ihre Bindungsunfähigkeit und ihr selbstzerstörerisches Verhalten, gepaart mit der Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen, und einer übersteigerten emotionalen Sensibilität, sind auf die Dauer sehr frustrierend und anstrengend.

An vielen Stellen wirkt der Roman aus heutiger Sicht etwas antiquiert, insbesondere was die Rolle der Frau, die Bewertung sexueller Übergriffigkeit und die Sorglosigkeit bezüglich ungeschützten Verkehrs angeht. Hier hat sich das Bewusstsein in den letzten Jahrzehnten glücklicherweise deutlich verändert, und Janes Einstellung wäre heute wohl eine andere. Schockiert war ich, dass im Roman an zwei Stellen noch das N-Wort verwendet wird, wenn auch in literaturwissenschaftlichem Kontext. Einen anderen Begriff hätte ich hier wünschenswert gefunden. Auch andere Ausdrücke, wie das nur in Teilen Süddeutschlands bekannte „sapschig“ irritieren (zumal es im Dialekt nicht mit „p“ sondern „b“ geschrieben wird) und werfen ein etwas unglückliches Licht auf die Übersetzung, ebenso wie einige Flüchtigkeitsfehler in Grammatik und Inhalt.

Mit Fortschreiten des Romans wächst die Spannung, wer denn nun hinter dem Ganzen steckt, und das Ende ist überraschend konstruiert, auch wenn ich auch hier wieder Janes Einstellung nur teilweise nachvollziehen kann und einige ihrer Gedanken kritisch sehe.
Insgesamt ein sehr unterhaltsamer, spannender und geschickt konstruierter Beziehungsroman, der viele Ansätze für Diskussionen bietet, aber teilweise etwas aus der Zeit gefallen wirkt.