Rezension

Spannend und bewegend: Drei Schicksale zur Zeit des ersten Weltkriegs

Schatten der Welt - Andreas Izquierdo

Schatten der Welt
von Andreas Izquierdo

Bewertet mit 5 Sternen

Im Jahr 1910 nähert der Halley'sche Komet sich erneut der Erde. Der junge Artur sieht darin die Chance, aus der Angst der Bevölkerung vor einem Weltuntergang Profit zu schlagen und holt sich dafür seinen besten Freund Carl mit ins Boot. Was die beiden noch nicht wissen: Das Ereignis ist der Ausgangspunkt für eine langjährige Freundschaft mit Isi, einem eigensinnigen, jedoch auch sehr gescheiten Mädchen. Tatsächlich soll der Komet ihr weiteres Leben sogar signifikant verändern. Ein weiterer Wendepunkt im Leben der drei wird wenige Jahre später der Beginn des ersten Weltkriegs, welcher die jungen Männer zum Militärdienst zwingt, während Isi daheim ihre Kämpfe an anderen Fronten auszufechten hat.

 

 

"Befehl war der Hammer und Gehorsam der Meißel, mit denen Menschen behauen wurden, um aus ihnen das Produkt eines übergeordneten Willens zu formen." (Zitat S. 292)

 

 

"Schatten der Welt" ist ein wunderbares Buch über drei Jugendliche, welche vor rund einhundert Jahren versuchen, sich eine Zukunft als Erwachsene aufzubauen und denen der erste Weltkrieg einen grausamen Strich durch die Rechnung macht. Geschrieben ist das Buch, als würde Carl die Erlebnisse der drei retrospektiv erzählen. Er selbst lebt als Junge zusammen mit seinem Vater, einem jüdischen Schneider, im westpreußischen Ort Thorn, dem heutigen polnischen Toruń, und entwickelt den Traum, lieber die Welt in Bildern einzufangen, statt die Schneiderei seines Vaters zu übernehmen. Sein bester Freund Artur ist das Gegenteil von Carl: Als Sohn des Wagners ist er groß gewachsen, kräftig, mutig und um keinen Streich verlegen. Hinzu kommt Luise, "Isi", eine bemerkenswerte junge Frau, deren Hintergründe ich nicht verrate, um niemandem die Überraschung vorweg zu nehmen.

Tatsächlich ist der Halley'sche Komet das Beste, was den dreien passieren kann, baut doch deren weitere Zukunft zunächst auf diesem Ereignis auf. Dabei war es höchst faszinierend für mich mitzuerleben, auf welche Ideen die drei jeweils kommen und wie sie diese umsetzen. Da tat es mir richtig in der Seele weh, als der Beginn des Weltkriegs ihre Zukunftspläne komplett ruiniert. Die folgenden Jahre besitzen fortan eine andere Faszination, da die drei getrennt voneinander die Wirren des Krieges erleben. Zuerst befürchtete ich, dass vor allem die Erlebnisse der jungen Männer von Kriegsschauplätzen, Kämpfen und Leid geprägt sein könnten. Doch hat der Autor für die beiden andere Schicksale gewählt, welche sehr bewegend waren und mir recht gut gefielen. Und auch Isis Zeit daheim ist sehr realistisch und bedrückend, zeigt sie doch, welches Los die Frauen zu der damaligen Zeit zu tragen hatten und wie einige wenige versuchten, sich an der Not anderer zu bereichern.

Mit diesem Roman hat Andreas Izquierdo einen bemerkenswerten Roman über drei junge Menschen geschrieben, welche zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf beeindruckende Weise versuchen, sich eine Zukunft aufzubauen, bevor der Weltkrieg die Freunde trennt. Auf einfühlsame wie auch unterhaltsame Weise begleitet man die drei durch diese Zeit, lebt, lacht und leidet man als Leser mit ihnen und hat zugleich Einblick in eine historisch äusserst ereignisreiche Zeit. Eine sehr gelungene Zeitreise zum Beginn des 20. Jahrhunderts und in meinen Augen eine eindeutige Leseempfehlung.