Rezension

Spannend und witzig, Protagonistin mangelhaft

Silber - Das zweite Buch der Träume - Kerstin Gier

Silber - Das zweite Buch der Träume
von Kerstin Gier

Bewertet mit 4 Sternen

In „Silber – Das zweite Buch der Träume“ von Kerstin Gier – dem zweiten Teil der Trilogie – erkundet die 17-jährigen Liv Silber weiter die Traumwelt. Gerade ihren Freund Henry sieht sie dort öfter als in der realen Welt, während sich die anderen Personen aus den Traumkorridoren zurückgezogen haben. Doch immer wieder muss sie feststellen, dass Henry Geheimnisse vor ihr hat. Zu kämpfen hat sie außerdem mit Secrecy, die viel zu viel von ihr weiß, sowie der furchtbaren Großmutter von Grayson und Florence, die es der Patchwork-Familie nicht leicht macht.

 

Im Großen und Ganzen sind viele positive Aspekte aus dem ersten Teil erhalten geblieben.

 

Kerstin Giers Schreibstil ist leicht zu lesen.  Auch das Layout fördert diese Leichtigkeit: Es sind weniger Zeilen pro Seite als normal, und der Abstand zwischen ihnen ist etwas größer, sodass das Buch sehr schnell von der Hand geht. Die Kapitel sind kurz, dadurch gibt es immer gute Gelegenheiten, eine Pause einzulegen.

 

Schön sind immer noch die schwarz-weißen Blumenranken am Rand der ersten Seite eines Kapitels. Der optisch ebenfalls hervorgehobene Eintrag des „Tittle-Tattle-Blog“ gibt den neusten Tratsch der Schule wieder und erinnert stark an Gossip Girl. Im ersten Teil war ich diesbezüglich schon zwiegespalten: ich möchte unbedingt wissen, wer dahinter steckt (nach Teil 2 noch mehr als vorher schon), aber es ist keine wirklich neue Idee. Da es aber nur ein Nebenstrang ist, ziehe ich dafür nicht allzu viele Punkte ab.

 

Im Ausblick auf Band 3 hat die Autorin angekündigt, dieses Geheimnis zu lüften und ich bin total gespannt und hoffe auf ein logisches, nicht enttäuschendes Ergebnis. Bezüglich weiterer kommenden Handlungen bleibt Kerstin Gier bewusst vage, aus Sorge, ihren eigenen Ankündigungen nicht gerecht zu werden. Das macht zwar nicht so neugierig, wie die Ankündigung nach Teil 1, ist für mich aber trotzdem vollkommen in Ordnung, da so niemand enttäuscht wird.

 

Im gleichen Atemzug schrieb sie, dass sie den Ausblick in Teil 1 auf Teil 2 nicht komplett erfüllt hat. Bis zu diesem Punkt war mir das nicht aufgefallen und hat mich somit auch nicht gestört. Die Handlung in Teil 2 ist hervorragend, so wie sie ist. Ich habe einige Male lachen müssen (mehr als in Teil 1), aber es gibt auch viele aufregende Passagen. Ein paar wenige Szenen empfand ich sogar als gruselig – eine perfekte Mischung. Wie auch in Teil 1 gibt es am Ende des zweiten Teils noch eine kleine Wendung, die mich wieder überrascht hat, sich aber gut in die Geschichte einfügt.

 

Ein absolutes Highlight ist die neu eingeführte Großmutter. Bei fast allem, was sie sagt, stockte mir der Atem, wie jemand so unverschämt und unhöflich sein kann, sich selbst aber für etwas Besseres hält. Kerstin Gier versteht es hier außergewöhnlich gut, einen Antagonist zu erzeugen, für den kein Leser Verständnis aufbringen kann und auf den er seinen Ärger projizieren kann.

 

In meiner Rezension zu Teil 1 schrieb ich, wie sympathisch ich Liv finde. Daran hat sich nichts geändert. Es gibt allerdings einen mehrere Seiten (oder Kapitel) umfassenden Zeitraum, in dem ich ihr Verhalten und ihre Reaktion unrealistisch finde. Sie erfährt ein furchtbares Geheimnis über Henry, zeigt sich aber nur kurz verletzt oder bestürzt. Bei den nächsten Gelegenheiten lässt sie sich sofort wieder von ihm einwickeln, anstatt ihn zu meiden und ihm die kalte Schulter zu zeigen. Livs Verhalten empfand ich hier als absolut unauthentisch.

 

Immer noch fehlt mir die Erklärung, warum bestimmte Personen durch die Traumkorridore wandeln können.  Es verbleibt noch ein Teil der Trilogie um dies aufzuklären. Ich hoffe – wie auch bei der Auflösung wer hinter Secrecy steckt -,  dass diese Erklärung kommt und vor allem schlüssig ist. Für mich ist die Trilogie sonst rückwirkend verdorben.

 

Zusammenfassend ist die Idee der Autorin immer noch genial. Die Handlung hat mir besser gefallen als in Teil 1, die Protagonistin Liv etwas weniger. Für ihre mangelnde Authentizität in einer der entscheidenden Szenen des Buchs, gibt es einen Stern Abzug, sodass ich den zweiten Teil mit insgesamt 4 von 5 Sternen bewerte.