Rezension

Spannend, unterhaltsam, aber vor allem wichtig

Nicht mein Kind -

Nicht mein Kind
von Jane E. James

Bewertet mit 5 Sternen

5 Sterne, denn hier wird rund um das Thema "sexueller Missbrauch" eine spannende Story aus ganz verschiedenen Perspektiven entwickelt, die Thrillerfreunde begeistern & bereichern sollte.

>>>INHALT

Tara und Dino führen ein scheinbar perfektes Leben: Sie bilden mit ihren zwei wundervollen Wunschkindern eine glückliche Familie – trotz finanzieller Herausforderungen. Doch eine Sache lässt Tara nicht los: Sie kann ihr Baby, das sie mit 15 zur Adoption freigeben musste, nicht vergessen.

Dann stirbt Tara bei einem tragischen Autounfall mit Fahrerflucht. Dinos Welt bricht zusammen. Als er einen Brief von Tara findet, der ihre Geheimnisse offenbart, erkennt Dino, dass er offensichtlich mit zwei Frauen verheiratet war: einer, die er kannte und liebte sowie einer, die ihm völlig fremd war.

Fest entschlossen, den vermeintlichen Mörder seiner Frau zur Rechenschaft zu ziehen, macht sich Dino auf die Suche nach der Wahrheit hinter Taras Vergangenheit. Doch was er dabei über sie und sich selbst entdeckt, verändert nicht nur sein Leben für immer …

>>>ÜBER DIESEN THRILLER

Das Buch erzählt von sexuellem Missbrauch und seinen möglichen Folgen.

Eine Triggerwarnung für entsprechend sensible Personen ist angebracht.

Eine Leseempfehlung für entsprechend unsensible, aber vor allem für interessierte Personen auch – denn abgesehen davon, dass das Werk eine außergewöhnliche Geschichte spannend erzählt, schafft es Bewusstsein, wo gesellschaftlich wie auch in Bezug auf Einzelne (statistisch nachgewiesenermaßen) Verdrängung und Leugnung die gern und viel zu oft gewählten Umgangsformen mit dem Thema, aber auch mit Betroffenen sind.

Erheben sich die wichtigen Fragen:

  • Warum sollte man so ein Buch lesen?
  • Darf man das überhaupt Unterhaltung nennen?

Beide Fragen möchte ich eindeutig mit „Ja“ beantworten und hier getrennt betrachten.

Ich denke, man/frau sollte solch ein Buch unbedingt lesen – Lesen schafft es erwiesenermaßen, den eigenen Horizont zu erweitern und in Schicksale anderer Menschen zu schlüpfen. Hier hat das Werk viel zu bieten, und zwar jedem Leser, unabhängig von Geschlecht, Alter, Vorerfahrungen. Wie in einem Kammerspiel entfaltet die Autorin Erlebnisse, Erfahrungen und Gefühle. Die Zahl der handelnden Personen ist dabei begrenzt, die der Berührungspunkte ihrer Lebenswege (u. a. weil sie alle an einem Ort leben) erstaunlich vielfältig. Es werden besagte Erlebnisse, Erfahrungen und Gefühle von Opfern und Tätern, direkt wie auch indirekt Betroffenen geschildert. Dadurch ist es möglich, jedem Leser Neues zu vermitteln.

Ich finde: Wissen nützt. Immer. Dem Einzelnen und der Gesellschaft, die insgesamt davon profitiert, wenn Kenntnisse verbreitet werden. Also in dieser Hinsicht empfehle ich die Lektüre unbedingt.

Die Frage, ob ein solch schwieriges Themengebiet zur Unterhaltung gelesen werden darf, haben (Zum Glück!) bereits andere beantwortet: Sogar der Holocaust ist Gegenstand unterhaltender Literatur: Bei „Schindlers Liste“, „Die Bücherdiebin“ oder „Jakob, der Lügner“ handelt es sich um nur einige Bücher aus diesem Feld, die ich sehr schätze und von denen ich mich habe unterhalten lassen. Natürlich nicht, um mich zu amüsieren, sondern, um auf einem erträglichen und nicht unangenehmen Weg Wissen anzusammeln und mir eine Meinung zu bilden. Spannend waren die auf ihre jeweils eigene Art alle. Das ist „Nicht mein Kind“ ebenfalls“.

Aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt bietet die Lektüre klassische Tools eines Thrillers, indem z. B. immer wieder genau dann der Blickwinkel (und damit der Erzähler) wechselt, wenn es besonders spannend ist. Als Leser muss ich einen so geschaffenen Cliffhanger nach dem anderen aushalten. Unvorhergesehene Wendungen? Massenhaft! Das ist also eine prima Lektüre für Fans von Thrillern.

>>>FAZIT

Unbedingt lesen! Dem Buch gelingt das Kunststück, seine Leser gleichzeitig um Wissen und empathische Kompetenz rund um den Themenbereich „sexueller Missbrauch“ zu bereichern und dabei spannend zu unterhalten. Daher gerne 5 Sterne: ⭐ ⭐ ⭐ ⭐ ⭐.

>>>PS

Männer werden mir generell zu negativ betrachtet in diesem Roman. [Ich persönlich kenne viele wirklich nette Exemplare.] Hier vermittelt mir die Autorin ein zu negatives Bild, aber das schadet dem Gesamtwert des Werks meiner Ansicht nach nicht.

>>>PPS

Für alle, die es wissen wollen: Das Werk stellt u. a. einen Entwicklungsroman dar, denn vor allem Dino, aber auch andere Protagonisten, durchlaufen reifende Prozesse in Bezug auf die Wahrnehmung ihres eigenen Handelns und Erlebens.

Erwachsenwerden ist ein lebenslanger Prozess. Ich würde das Genre „Coming of Age“ daher nicht lediglich als den Prozess der Entwicklung vom Teenager zum Erwachsenen etwa bis Mitte 20 beschreiben, sondern die Altersspanne deutlich weiter fassen.