Rezension

spannende Aha-Momente und gruseliges Ende.

Der Kreidemann
von C. J. Tudor

Bewertet mit 4 Sternen

Auf dem Rückentitel steht: „Wenn Sie meine Bücher mögen, werden Sie auch dieses verschlingen.“ - Stephen King.

 

Und in der Tat ist der Schreibstil, der zu einem wunderbaren Lesefluss führt, eindeutig einem sogenannten Stephen-King-Schreibstil zuzuordnen. Aber „Der Kreidemann“ ist von C.J. Tudor. Ihr Thriller spielt auch nicht in Maine, sondern in England, aber ich habe das Gefühl, trotzdem in „King“-Land zu sein. Im inneren Klappentext findet sich ein Zitat aus der „The Sun“: Es ist schwer vorstellbar, dass „der Kreidemann“ ein Debüt ist. C.J. Tudor schreibt einfach glänzend, und das Ende geht einem durch Mark und Bein. Nun habe ich das Buch nicht im Original gelesen sondern in der Übersetzung von Werner Schmitz. Meinen besten Dank an seine Arbeit.

Natürlich erinnert mich das Buch an „Stand by me – das Geheimnis eines Sommers“. Und auch wenn es immer mal wieder im Hinterkopf aufploppt, ist dieser Thriller doch ein ganz anderer. Fünf Freunde sind es, die sich immer wieder finden. Man meint, die üblichen Charaktere vorgestellt zu bekommen, die sich genau so öfter mal auch in anderen Romanen gruppieren. Da ist der etwas dickliche Fat Gav, der immer genug Geld in der Tasche hat; der arme Hoppo, dessen Mutter putzen gehen muss, um über die Runden zu kommen; Metal Mickey, bestückt mit viel Metall im Mund und einem fiesen Bruder namens Sean geschlagen; Nicky, ein echter Wildfang und einziges Mädchen der Gang, ihr Vater ist der Pfarrer des Ortes. Und dann ist da noch Eddie. Seine Mutter arbeitet in einer Schwangerschaftsabbruchklinik, sein Vater ist Schriftsteller, sehr schräg, der noch in jungen Jahren an Alzheimer erkrankt.
 

Am Anfang steht ein Mord, eine Frau wird zerstückelt aufgefunden, der Kopf bleibt verschwunden. Aber so richtig beginnt die Geschichte auf einem Jahrmarkt. Eddie, dessen Stimme aus dem Off den Thriller begleitet, erlebt einen Horrorunfall auf dem Jahrmarkt, als er mit seinen Freunden unterwegs ist. Leider verliert er sein Geld. Auf der Suche nach seinem Portemonnaie geschieht es. Ein Fahrgestell macht sich selbstständig, gerade dann, als er einem hübschen Mädchen ins Gesicht schaut. Mit einem Lehrer seiner Schule kann er das Mädchen retten. Dieser erzählt ihm später, wie man mit Kreide eine Geheimsprache zwischen Freunden nutzen kann, damit keiner weiß, was sie sich zu erzählen haben. Das ist die Grundlage der Kriminalgeschichte.

Dreißig Jahre später, wir wissen, Fat Gov sitzt im Rollstuhl, Nicky ist nicht mehr im Ort, Hoppo schlägt sich mit seiner dementen Mutter herum. Eddie lebt immer noch im Elternhaus, zusammen mit einer Untermieterin, der Vater früh verstorben, die Mutter lebt mit ihrem Lebenspartner in einer anderen Stadt. Metal Mickey ist inzwischen Werbetexter und kündigt sich bei Eddie an, um mal wieder zu plauschen. Aber sag es ja niemand weiter! Der Sog des Erzählstils von Tudor lässt einen erbeben, was passiert denn nun wieder zwischen den Freunden, damals wie heute. Jeder Vorfall ist mit einem anderen irgendwie verknüpft, es ergeben sich viele Aha-Momente, und alle sind mit Kreidestrichen, Kreidemännchen und Kreidefrauen verziert. Und egal wie alt die Protagonisten nun sind, sieht man sie regelrecht als Kinder und Jugendliche vor Augen, wie sie sich fühlten, was sie taten oder auch nicht. Eine Geschichte voller Irrtümer, falschen Vermutungen und Verbindungen, die keiner sehen will oder kann.

Das Ende der Story ist in der Tat so gruselig, dass es selbst eingefleischten Lesern sicher kalt den Rücken laufen wird. Tatsächlich ein gelungener Debütroman, der Lust auf mehr macht.