Rezension

Spannende Geschichte, unglaubwürdige Handlung und Charaktere

Der Abgrund in dir
von Dennis Lehane

Bewertet mit 3.5 Sternen

Eins muss man dem Buch lassen: es ist sehr spannend und man möchte immer weiter lesen, um zu wissen, wie es ausgeht. Aber für mich war das Ende eine Enttäuschung wie überhaupt die zweite Hälfte des Buches. Fast kommt es mir vor, als ob zwei Autoren dieses Buch geschrieben hätten, jeder in seiner Manier.

Zuerst erfahren wir von der unglücklichen Kindheit und Jugend Rachels, ihrer zwanghaften Suche nach dem leiblichen Vater, dessen Namen ihr die plötzlich durch einen Unfall gestorbenen Mutter nicht verraten hat. Rachel ist unglücklich und einsam und sucht ständig nach Liebe und Unterstützung. Dabei ist sie beruflich als Reporterin sehr erfolgreich, wird sogar nach dem schweren Erdbeben in die Hölle Haitis geschickt. Die Erlebnisse dort, von denen wir aber nur wenig erfahren, führen bei ihr zu Angst- und Panikattacken, die vom Autor recht anschaulich beschrieben werden. Als sie ein zweites Mal von Haiti aus berichten muss, erleidet sie in einer Live-Sendung eine Art Zusammenbruch, der sie nicht nur ihre Karriere, sondern auch ihre Ehe kostet.

Ihr Leben gewinnt erst langsam wieder an Qualität, als sie Brian Delacroix trifft, den sie von früher kennt und der sich liebevoll und einfühlsam um sie kümmert. Aber ist er wirklich der, der er zu sein vorgibt? Diese Frage, hervorgerufen durch den ein oder anderen Verdachtsmoment, wird zum Spannungsmotor der Geschichte.

In meinen Augen ergibt sich hier ein Bruch, weg von der Schilderung von Rachels Leben, Gedanken und Zuständen hin zu viel 'Action', was mir in dieser Fülle übertrieben erschien. Vor allem aber fand ich das Handeln der Personen und ihre weitere Entwicklung völlig unglaubwürdig und nicht authentisch. Hier wird eine ganz andere Geschichte erzählt: voller Geheimnisse, Rätsel und Action und zwar so, dass es mir zu viel wurde. Vieles, was vorher breit geschildert wurde, spielt jetzt keine Rolle mehr, wie z.B. die Suche nach dem leiblichen Vater. Die meisten Personen erschienen mir unwirklich und unglaubhaft, so dass mir das Ende keinen Spaß gemacht hat. Ja, ich fand es regelrecht enttäuschend.