Rezension

Spannende historische Fiktion im Korea des 18. Jahrhunderts

Der Rote Palast -

Der Rote Palast
von June Hur

„Ich lauschte mit den Fingerspitzen der Geschichte (…) Dies war die Geschichte eines jeden Lebens. Eine Geschichte über die Zerbrechlichkeit unserer Existenz und unseren Überlebenswillen. Über verborgene Schmerzen und die Sehnsucht nach Liebe.“

Ja, so etwas gibt es nicht oft - Historische Kriminalliteratur - und dazu noch für Jugendliche -  mit asiatischem Setting. Ich bin den Spuren der jungen Hyeon, die als medizinische Palastschwester am Hofe des Kaisers arbeitet, sehr gern und manchmal ziemlich atemlos gefolgt. Ihre Geschichte verschränkt sich mit realen Gegebenheiten, die sich am koreanischen Hof zugetragen haben und auf welchen der Kriminalfall basiert. Spannend!

Das koreanisch-historische Setting hat mich gleich angezogen, mich als kleiner Asia-Fan, der alles liest, was ihm am asiatischer Literatur zwischen die Finger kommt. Der Roman spielt im Kaiserpalast - auf dem Weg, den Hyeon als Palastschwester zurücklegt, erfährt der Leser viel über die Hofpolitik, über die Gepflogenheiten und die Höflichkeit und ungeschriebenen Gesetze, die am Hof herrschen und die sich durch die gesamte Gesellschaft ziehen. Ferner über die Fernöstliche Medizin, jedoch eingebettet in eine spannende Geschichte, die nach ein paar Dutzend Seiten zum Pageturner mutiert. Denn man möchte wissen, was hinter den Morden steckt. Wird es noch weitere Tote geben? Und wie hängt das mit der Politik am Hofe zusammen? Der Sogwirkung, die diese Fragen entfalten, konnte auch ich mich kaum entziehen.

Dazu haben Hyeon, unsere Protagonistin, und der junge Polizeiinspektor Eojin maßgeblich beigetragen. Hyeon war eine Hauptfigur mit Schneid und Charakter, die so zielstrebig wie angepasst an das Hofleben ist, aber trotzdem den Mut hat, zu ihren Lieben zu stehen. Sie macht im Laufe der Ermittlungen, die sie gemeinsam mit Eojin aufnimmt, nachvollziehbare Entwicklungen durch und ich mochte die zielstrebige junge Frau sehr, genauso wie ich Eojin mochte, den gescheiten Inspektor, der seine ganz eigenen Gründe hatte, in dem Fall zu ermitteln. Die Beziehung zwischen den beiden keimt nur zart und sanft, sie erdrückt dem Himmel sei dank den eigentlichen Kriminalplot nicht, sondern ergänzt ihn und verleiht dem Buch noch eine süße Note, die ich nur allzu gern zwischen dem metallischen Blut herausgeschmeckt habe, denn so ein Buch funktioniert auch wunderbar mit einer Liebesgeschichte, die sich dezent im Hintergrund aufbaut, während auf der großen Bühne blutige Morde geschehen und Intrigen gesponnen werden.

Generell mochte ich die Atmosphäre sehr gerne - der Gegensatz zwischen dem Blut, das ständig an den Schuhen der Figuren klebte, während sie sich durch die Straßen und die hintersten Palastwinkel arbeiteten, und der strengen Gesellschaft, mit der sich die Figuren arrangieren müssen, hat für mich einfach nur gut funktioniert und mich in die Geschichte hineingesogen. June Hur hat die atmosphärische Gratwanderung geschafft zwischen historischen Fakten und einer spannenden Geschichte.

Bisweilen waren für mich einige Ermittlungspfade nicht gänzlich nachvollziehbar. Habe ich die Zeit mit dem Buch trotzdem genossen? Und wie. Es muss nicht immer alles perfekt sein, damit mich ein Buch mitreißt und ich es als spannend empfinde. Danke, Hyeon, für die tollen Stunden.