Rezension

Spannende historische Geschichte mit leichten Webfehlern

Die Frauen von Kopenhagen -

Die Frauen von Kopenhagen
von Gertrud Tinning

Bewertet mit 4 Sternen

Die Geschichte erzählt vom Leben der Arbeiterfrauen in einer Weberei in Kopenhagen Ende des 19. Jahrhunderts. Die brutalen Arbeitsbedingungen und der niedrige Lohn bringen die Frauen immer wieder in Existenznöte. Ein schwerer Unfall ist der Auslöser, dass Nelly die teils kriminellen Vorgänge der Weberei ans Tageslicht bringen will. Ihr Ziel ist es bessere Bedingungen für die Frauen zu erzwingen. Damit bringt sie sich selbst in Gefahr und das Unglück nimmt seinen Lauf. Wochen später gerät auch Anna, die Nellys Spur aufgenommen hat, ins Visier der Bosse.

Die Autorin hat ein wunderbar authentisches Setting geschaffen, dem man die intensive Recherche anmerkt, das ja auf tatsächlichen Geschehnissen aufbaut. Das Buch wird aus mehreren Perspektiven erzählt und enthält zwei unterschiedliche Erzählstränge. Die Rollen der Protagonisten sind sehr unterschiedlich gewichtet und es fällt mir schwer, die einzelnen Erzählstränge zu werten, ohne zu spoilern.

Im ersten Teil werden mir die Lebensbedingungen der Arbeiterfrauen in Kopenhagen eindrucksvoll vor Augen geführt und schon nach wenigen Seiten leide ich mit den Protagonistin Nelly und ihrer Schwägerin Marie, sehe die hungrigen Augen der Kinder vor mir und spüre die Kälte in meinen Knochen. Mit dem Unfall ist die Existenznot kaum mehr auszuhalten, Nelly nimmt all ihren Mut zusammen und ergreift die Initiative. Am Höhepunkt der Spannungskurve erwartet mich ein Cliffhanger und die Szenerie wechselt.

Im zweiten Teil lerne ich Anna, Tochter eines Kleinbauern, kennen, die ebenfalls ein karges und hartes Leben führt und deren einzige Chance dem zu entkommen, eine gute Heirat zu sein scheint. Auch Annas Konflikt wird wunderbar transportiert und dieser zweite Erzählstrang hat seinen eigene Spannungsbogen.

Im dritten Teil versucht Anna in der Stadt Koppenhagen ihren geliebten Bruder, der unschuldig im Gefängnis sitzt und in die Vorgänge um Nelly verstrickt zu sein scheint, zu unterstützen. Anna muss dafür die Vorfälle um Nelly und die Weberei aufklären. Die Entwicklung des Plots in diesem Teil überrascht mich sehr. Ich hatte mit einer Zusammenführung der beiden Erzählstränge erwartet und mit der Initiierung der Arbeitskämpfe gerechnet, doch die Geschichte entwickelt sich zu einem sehr spannenden Krimi, in der die akribische Suche Annas nach dem Täter im Vordergrund steht, bei der sie selbst in Gefahr gerät. Nellys Pläne und die Arbeitsbedingungen der Arbeiterfrauen dienen leider nur als Hintergrundkulisse.

Im Showdown gelingt es der Autorin, das Verbrechen zufriedenstellend aufzuklären und auch die Fäden aus dem ersten Teil wieder aufzunehmen und abschließend einzubinden. Für mich kam es etwas zu spät. Die Geschichte wirkt durch das Ungleichgewicht der Erzählstränge etwas holperig, obwohl alles für sich gesehen ein sehr spannenden und schlüssigen Verlauf genommen hat und auch Anna eine eindrucksvoll Protagonistin ist, der ich gerne gefolgt bin.

Fazit: Spannender und authentischer historischer Roman, der durch die ungleiche Gewichtung der Erzählstränge keine eindeutige Prämisse erfüllt.