Rezension

Spannende katalanische Familien-Saga

Die Frauen von La Principal - Lluis Llach

Die Frauen von La Principal
von Lluís Llach

Bewertet mit 4 Sternen

Hier in Katalonien herrschen 1893 feudalistische Strukturen wie im Mittelalter. Die Söhne einer Familie gelten ALLES, die Töchter sind nur Ballast oder manchmal schöner Zierart, der profitabel verheiratet werden muss.
Dies muss Maria-1 schmerzhaft zur Kenntnis nehmen, als sie als Einzige auf dem wegen des Reblausbefalls dem Untergang geweihten Weingut ausharren soll. Der Rest der Familie, Vater und vier Brüder, treten die Reise in eine verlockende Zukunft in Barcelona an. Bei der Abreise verwünscht Maria ihren Vater, ohne zu wissen, dass er wenig später sterben wird. Und siehe da, völlig unerwartet ist sie, die einzige Tochter, das Lieblingskind des Vaters gewesen und durch die vortestamentarischen Verfügungen die Erbin von La Principal.
Mit eisernem Willen und einem Hang zum Despotismus führt Maria-1 das Weingut von Erfolg zu Erfolg. Symbol für diese Macht ist die „Sedia“. Diese Sänfte ist von Arbeitern auf La Principal aus hauseigenem Material gefertigt und symbolisiert die Verbundenheit mit dem Weingut.

Ihre Tochter, Maria-2, lässt als Zeichen des Neubeginns die „Sedia“ verbrennen, führt das Weingut in guter alter Tradition weiter, bis sie die politischen Machtverhältnisse ins vorübergehende Exil nach Frankreich zwingen. Nach ihrer Rückkehr, nimmt sie sich einen unstandesgemäßen Liebhaber, Llorenc. Auf ihn hat sie schon als Fünfzehnjährige ein Auge geworfen. Die beiden verbindet ein delikates Geheimnis, dessen mögliche Enthüllung ungeahnte Folgen haben könnte.
1940, Maria und Llorenc führen ein eheähliches Verhältnis, taucht Kommissar Recader auf. Jener Ermittler, der schon 1936 einen mysteriösen Mordfall auf La Principal untersucht hat und damals von den politischen Ereignissen zurückgepfiffen wurde. Diesmal, diesmal will er den Mord aufklären Recader ist ein Fan von Agatha Christies Krimis und sieht den Mord auf La Principal als Vorlage für einen Krimi. Entsprechend geht er bei seinen Ermittlungen vor.

Wir befinden uns nun im Jahr 2001. Maria-2 ist vor Jahren friedlich im Bett gestorben und Maria-3, nunmehr auch schon sechzig Jahre alt, führt als einziges Kind das Anwesen weiter. Sie ist die letzte ihrer Familie. Vater Llorenc hat die Familiengeschichte aufgeschrieben und so erfährt seine Tochter, was sich damals, 1936, wirklich zugetragen hat.

Erzählstil/Spannung:

Schon durch den Klappentext vorgewarnt, ist klar, dass dieses Buch nichts für zwischendurch sein würde. Die Handlungsstränge, die Namensgleichheiten, nicht nur der Marien sondern auch der „Ursulas“ sowie die Rückblenden fordern dem Leser erhöhte Aufmerksamkeit ab.
Der Erzählstil ist für mich ungewohnt, bin ich doch einem sachlich, technischen Schreibstil zugeneigt. Doch nach kurzer Eingewöhnung habe ich mich an Lluis Llachs Stil Gefallen gefunden. Nicht immer wird Klartexte geschrieben. Der Autor ergeht sich häufig in Andeutungen und Verklausulierungen. Angesichts seiner revolutionären Herkunft und Haltung ist eine vorsichtige Formulierkunst, kein Wunder. Ein großes Lob muss der Übersetzerin Petra Zickmann ausgesprochen werden, die meiner Meinung nach diese Kunst aus der weichen romanischen Sprache in das harte Deutsch gekonnt umgesetzt hat.
Die Spannung eines Romans kommt natürlich an die eines Krimis nicht heran, obwohl durch den Mord an Ricard und den Ermittler Recader kriminalistische Sequenzen eingebaut wurden.

Die unterschiedlichen Handlungsstränge und Zeitebenen werden gekonnt verknüpft. Das Jahr 2001 und die dritte Maria kommen für mein Dafürhalten ein wenig zu kurz.

Charaktere:

Llach zeichnet willensstarke und entschlossene Frauen, die bereit sind, sich über Konventionen hinwegzusetzen. Entgegen aller Unkenrufen, überlebt das Weingut und steht nach drei Generationen von weiblichen Eigentümern besser da als je zuvor.

Die Männergestalten dienen nur als Mittel zum Zweck. Sei es als Vater oder missliebige Brüder und Feinde, als Liebhaber oder Bewunderer. Einzig Llorenc scheint eine generationsübergreifende Rolle zu spielen. Er arbeitet als Kind unter Maria-1, die ihn bis er zwölf ist, die Schule ermöglicht, liebt und lebt mit Maria-2 mit der ein dunkles Geheimnis teilt und ist Vater von Maria-3.

Eine liebevoll gestaltete Figur ist Ursula. Auch deren gibt es mehrere, die aber wenig Rolle spielen. Sie, ursprünglich Amme von Maria-2, kennt jedes Geheimnis auf La Principal. Sie ist Marias Vertraute und blockt Unheil so gut wie möglich von ihr ab.

Auch an Lluis Recader, dem Polizisten, habe ich Gefallen gefunden. Seine Lust, Krimis zu lesen und deshalb Polizist zu werden, ist ein schöner Einfall.

Fazit:

Eine schöne Familiensaga, die ich gerne weiterempfehle. Einziger Kritikpunkt, der allerdings dem Verlag zuzuordnen ist - diese winzige Schrift strengt ziemlich an.