Rezension

spannende Märchenadaption mit Gruselmomenten

So finster, so kalt - Diana Menschig

So finster, so kalt
von Diana Menschig

Zitat:
„Jede Nacht hielt die Furcht in ihrem Inneren ein wenig länger an, lähmte sie, ließ sie den Rest der Nacht kaum oder gar nicht zur Ruhe kommen.“
(S.21)

„Natürlich hatte Gott keine Zeit, in jedem Augenblick bei ihm zu sein. Aber Er half einem, wenn man Ihn darum bat, oder nicht?“
(S.68)

„Geh nicht…in den Wald…in den Wald…Geh…Wald…nicht in den Wald! Geh!“
(S.152)

Inhalt:
Merle Hänssler ist eine erfolgreiche Anwältin. Über ihren Beruf hat sie fast ihre Heimat, den kleinen Ort im Schwarzwald, Steinberg, vergessen. Seit Tagen wird Merle von quälenden Alpträumen heimgesucht. Wahrscheinlich ist sie nur überarbeitet. Oder gibt es doch einen anderen Grund dafür?

Nun ist ihre Oma Mago, in deren Haus Merle etliche Jahre ihrer Kindheit verbracht hatte, gestorben. Das Haus liegt weit abseits des Ortes mitten im Wald. Die mysteriöse Atmosphäre ist hier förmlich spürbar. Für die Kinder des Dorfes hat Mago immer Lebkuchen nach einem uralten Rezept gebacken. Mago hatte ihre seltsamen Seiten, war im Dorf dennoch beliebt und angesehen. Und dann gab es da noch dieses Geheimnis um ihren verbotenen Garten, den nie jemand betreten durfte.

In Magos Hinterlassenschaft stößt Merle auch auf eine alte Geschichte über einen Hans, der auf die gleichaltrige Greta trifft und ihr mehr oder weniger verfällt. Die Geschichte übt einen unwiderstehlichen Bann auf Merle aus. Die Parallelen zu ihren Träumen sind klar erkennbar. Sie sucht Hilfe bei Jakob Wolff, einem Experten für alte Geschichten und Sagen. Die beiden kommen sich schnell näher. Doch ist Jakob wirklich der, für den er sich ausgibt? Die Grenzen zwischen Realität und Scheinwelt verschwimmen für Merle zusehends. 

Meinung:
Märchenadaptionen schießen seit einiger Zeit ja wie Pilze aus dem Boden. Langsam war es dann nun auch an der Zeit für mich, hier einen Versuch zu starten. So kam „ So finster, so kalt“ gerade richtig für mich. 

Ein abgelegenes Haus im Wald. Eine alte Frau, die dieses Haus bewohnt. Lebkuchen. An welches Märchen wird man hier sofort erinnert? Genau! Und wer sich in der Märchenwelt nicht auskennt, wird immer wieder mit der Nase darauf gestoßen, dass man es in dieser Geschichte mit Ansätzen aus Hänsel und Gretel zu tun bekommt. Doch auch andere Märchen hinterlassen in der Geschichte ihre Spuren.

War ich anfangs einigermaßen skeptisch, ob ich mit einer derartigen Umsetzung etwas anfangen könnte, wurde ich schnell eines Besseren belehrt. 
Langsam wurde ich in die Geschichte eingeführt und konnte mich so rundum mit den Charakteren und Orten vertraut machen. Von der ersten Seite an wurde ein Spannungsfaden gesponnen, der mich zielsicher durch die folgenden Seiten führte. 

Diana Menschig erzählt die Geschichte aus der Sicht von Merle in Vergangenheitsform. Sinnvolle Dialoge steigerten dabei stets mein Lesevergnügen. Gekonnt baute die Autorin immer wieder Zwischenkapitel mit den jahrhundertealten Geschehnissen rund um Hans und Greta ein. So erfuhr ich Stück für Stück Zusammenhänge zwischen den handelnden Personen, wurde hierbei oftmals von der Richtung überrascht, die die Handlungsstränge annahmen. Denn nichts ist so gewesen, wie wir es aus alten Geschichten kennen.

Die Charaktere beschrieb die Autorin sehr authentisch. Merle, eine erfolgreiche aber scheinbar überarbeite Anwältin, steht mitten im Leben. Eigentlich hat sie alles erreicht, was es zu erreichen gibt. Doch der ganze berufliche Erfolg ist trügerisch, Merle beginnt mit ihren Berufsidealen zu zweifeln. Denn private Interessen hat sie letztendlich hintenangestellt. Zumindest schafft es Merle, sich von ihrem arroganten Freund Michael zu trennen. Gut hat er ihr sicherlich nicht getan.
Merle war mir grundsätzlich von Beginn an sympathisch und so war ich ihr recht schnell zugetan. Ihre Entscheidungen konnte ich meistens nachvollziehen. Manchmal allerdings hat Merle meinen Geduldsfaden zeitweilig mit ihrer Art ziemlich strapaziert. Dennoch schaffte sie es immer wieder, mich auf ihre Seite zu ziehen.

Jakob erschien mir anfangs recht undurchschaubar. Einerseits betritt er die Szenerie recht offen. Auch seine offensichtlich ehrliche Art imponierte mir. Dennoch waberte bei seinen Auftritten immer ein gewisser rätselhafter Hauch mit durch die Seiten. Konnte es denn wirklich Zufall sein, dass er in Merles Leben getreten war? Auch wenn es Merle war, die den Kontakt hergestellt hatte. Über seine Motive war ich mir wirklich lange nicht im Klaren. 

Der Schreibstil der Autorin stellt sich aus meiner Sicht nicht überbordend, dafür jedoch sehr vorstellbar, dar. Gekonnt setzt Diana Menschig ihre Charaktere in Szene, beschreibt die Orte und Handlungen in genau richtigem Umfang, so dass meine Fantasie noch genügend Spielraum hatte. Und so gelang es der Autorin auch, mir in zahlreichen Szenen durch diese gekonnte Erzählweise eine Gänsehaut über den Rücken zu jagen. Kleine sich andeutende Längen schmälerten meinen Lesespaß hierbei eindeutig kaum.

Die Autorin führte die Geschichte zu einem Ende, das mich eindeutig zufrieden stellt. Insgesamt konnte mich Diana Menschig mit ihrer schaurig schönen Umsetzung der Geschichte wirklich gut unterhalten. 

Urteil:
„So finster, so kalt“ ist eine gelungene Verbindung aus altbekannten Sagen und Märchen mit der heutigen Realität. Spannende Szenen wechselten sich mit Gänsehautmomenten ab und bescherten mir damit einen hohen Lesegenuss. Für dieses märchenhafte Lesevergnügen vergebe ich deshalb an dieser Stelle sehr gute 4 Bücher.

Für alle Fans mysteriöser Orte, die übernatürlichen Erscheinungen aufgeschlossen gegenüberstehen, rationale Erklärungen anerkennen, dabei Gänsehautmomente genießen können.

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