Rezension

Spannende Science Fiction-Story mit sympathischen, tiefgründigen Protagonist*innen

Neon Birds - Marie Graßhoff

Neon Birds
von Marie Graßhoff

Bewertet mit 4.5 Sternen

Das Buch hält sich nicht mit langen Einleitungen auf, sondern steigt sofort in die Geschehnisse ein und legt voller Spannung los. Das führte in meinem Fall dazu, dass ich von Anfang an gebannt an den Seiten hing und sofort in der Story drin war.
Umgekehrt muss man sich als Leser*in natürlich auch in einer fremden, futuristischen Welt orientieren. Dabei gibt es zwischendurch immer mal wieder Akten und Dokumente, die die Informationen gebündelt vorstellen, gleichzeitig werden diese aber auch in die Gesprächen  geschickt eingewoben und ergänzen und wiederholen sie somit, so dass ich das Gefühl hatte, die relevanten Informationen zu verstehen, ohne dass ein Info Dump auftrat.

Das Setting ist dabei ziemlich interessant und wirkt bisher sehr durchdacht. An manchen Stellen mutet diese Zukunftsversion fast utopisch an - als Reaktion auf die Folgen des Klimawandels wird Naturschutz großgeschrieben und die Menschen ernähren sich vegan, es gibt eine Weltregierung, die angeblich alle Menschen gleichbehandelt, und technologische Erweiterungen wie Cyber Trips (quasi Beamen). Aber schnell wird deutlich, dass nicht alles immer so hübsch ist, wie es aussieht.
Umgekehrt kämpft die Welt mit einer künstlichen Intelligenz (KI) und einem Virus, der über die Luft übertragen wird und Menschen in emotionslose, von dieser KI gesteuerte Wesen - Mojas - verwandelt, die die Menschheit auszulöschen drohen. Der Virus und die KI werden in Schutzzonen gefangengehalten, doch reicht das nicht, um sie in Schach zu halten ...
Ein sehr düsteres Zukunftsszenario also, das für mich weitgehend logisch erklärt wurde. Auf jeden Fall bin ich gespannt darauf, wie das in den Folgebänden weiter entwickelt wird.

Hatte ich Angst, die Spannung könnte nach dem starken Beginn abflachen, so wurde ich beruhigt, denn das war keineswegs der Fall. Stattdessen machte die Geschichte in gewisser Weise süchtig, kann überraschen und war für mich weitgehend unvorhersehbar. Gerade der Schluss ist nochmal ein richtiger Cliffhanger, der gespannt auf die Fortsetzungen macht.
Allerdings muss ich auch dazu sagen, dass das Ende zwar sehr spannungsgeladen ist, mir aber fast ein wenig zu hektisch war und mir manche Sachen zu schnell abgehandelt wurden, was aber auch einfach nur ein persönlicher Eindruck sein kann.

Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht von vier Protagonist*innen erzählt. Ich muss zugeben, dass ich kein Fan von vielen Perspektiven bin und somit zwischendurch ein wenig genervt war, wechseln zu müssen, gerade, wenn es an anderer Stelle spannender war.
Insgesamt waren mir alle vier sympathisch, dennoch mochte ich Flover und Luke am meisten. Flover ist ein Soldat einer geheimen Elite-Einheit und durch seinen Job abgehärtet. Dennoch geht das nicht so spurlos an ihm vorbei, wie es scheint. Sein Mitbewohner Luke wirkt dagegen wie ein eher gewöhnlicher Student, doch auch er hat seine Geheimnisse. Gerade die Beziehung zwischen den beiden Freunden ist extrem süß und ja, eventuell habe ich die beiden sehr in mein Herz geschlossen. :D

Daneben haben wir dann noch Okijen und Andra. Okijen ist ein ehemals gefeierter Soldat, der sich aus dem Militär zurückgezogen hat und eigentlich nur seine Ruhe haben will, jetzt aber wieder mit reingezogen wird. Andra stammt aus einer Siedlung, die abseits der übrigen Zivilisation und näher an der Natur lebte, nun aber von Mojas angegriffen wird.
Was alle Protagonist*innen gemeinsam haben, ist, dass sie sehr menschlich wirken, Ängste und Schwächen haben und dadurch sehr authentisch rüberkommen. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass unnötige Dramen und Konflikte zwischen den Charakteren vermieden werden, zum Beispiel trifft Okijen irgendwann seine Exfreundin und obwohl die beiden nonstop streiten, wird schnell klar, dass sie sich trotzdem nicht abgrundtief hassen, sondern auch normal miteinander reden können.

Was mich allerdings ein bisschen irritiert hat, ist, dass Flover und Okijen als absolute militärische Helden in krassen Positionen gepriesen werden und ich sie dafür ein wenig jung fand. Gerade bei Okijens Darstellung hatte ich lange das Bild eines alten Veterans oder meinetwegen eines Typen, der mindestens Mitte 30 ist, im Kopf, nur um dann damit konfrontiert zu werden, dass er erst Anfang 20 ist, obwohl das halbe Militär ihm zu Füßen liegt. Auch Flover ist erst 19, aber schon Captain und anscheinend auch irgendwie mega der Überflieger.
Zwar wird später erklärt, warum viele Soldat*innen so jung sind und die Charaktere verhalten sich ansonsten in aller Regel auch entsprechend ihres Alters, dennoch war das sehr verwirrend und nicht ganz nachvollziehbar. Andererseits ist das eben auch ein Jugendbuch und daher ist es verständlich, dass die Protagonist*innen sich dann wieder in dem Alter ihrer Zielgruppe befinden.

Fazit: Durchgehend und von Anfang an sehr spannende Science Fiction-Story mit einem düsteren und nachvollziehbar erklärten Zukunftsszenario, aber auch mit utopischen Elementen. Die actionreiche Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht von vier authentischen und sehr sympathischen Protagonist*innen mit Stärken, Ängsten und Schwächen erzählt. Der Cliffhanger am Ende stimmt neugierig auf die Fortsetzungen, allerdings ist der Schluss dabei auch ein wenig hastig.