Rezension

Spannende Unterhaltungsliteratur, nicht mehr und nicht weniger

Dunkelgrün fast schwarz - Mareike Fallwickl

Dunkelgrün fast schwarz
von Mareike Fallwickl

Bewertet mit 3 Sternen

Mit „Dunkelgrün fast schwarz“ legt Mareike Fallwickl ein Debüt vor, das schon vor seinem Erscheinen von der Presse als DIE Neuentdeckung des letzten Jahres angepriesen wurde und kurz nach seinem Erscheinen die sozialen Medien ordentlich durchrüttelte. Egal wo man hinsieht, die Begeisterung schlägt hohe Wellen. Mich haben weniger die Lobeshymnen, als vielmehr der düstere Sog, den diese Geschichte verströmt, angelockt. Fallwickls Debüt wird als anspruchsvoller Roman mit besonderem Schreibstil und einzigartigen Charakteren gehandelt, bekommen habe ich aber einen mittelmäßigen Thriller mit vorhersehbaren Elementen und Figuren, die sich strikt an ihre Rollenzuweisungen halten.

Raffael und Moritz sind beste Freunde seit ihrer Kindergartenzeit. Auf den ersten Blick scheint die beiden Jungs nichts zu verbinden: den schüchternen, freundlichen Moritz und den draufgängerischen und selbstbewussten Raffael. Trotzdem versinken die beiden komplett in ihrer eigenen Welt und nur Raffael weiß von Moritz‘ besonderem Talent, Menschen und Situationen in Farben wahrzunehmen. Als in der Oberstufe Johanna in die Klasse kommt und diese eingeschworene Konstellation aufbricht, entsteht mit der Zeit eine Dreiecksbeziehung mit zerstörerischer Sprengkraft.

Keine Frage, der Anfang ist unheimlich spannend und düster und hat mich sofort in die Geschichte um die drei Freunde hineingezogen. Fallwickl spielt mit Andeutungen, verschiedenen Perspektiven und Wechseln der Zeitebene und baut so den Spannungsbogen der Geschichte immer weiter auf. Innerhalb der ersten 100 Seiten entwickelt sich dadurch ein Lesesog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Das ist die große Stärke des Romans – Fallwickl zieht den Leser mitten hinein in die Gedankenwelt ihrer Figuren und hält ihn mit geschickten Perspektivwechseln und wie beiläufig platzierten Informationsbruchstücken bei der Stange. Wie geht es weiter und wer kommt auf den nächsten Seiten zu Wort? Hervorheben möchte ich außerdem den klaren, aber leicht poetischen Schreibstil der Autorin. Landschaftsbeschreibungen und Gefühlslagen werden häufig in Metaphern ausgedrückt und geben dem Leser dadurch Raum für die eigene Vorstellungskraft und Interpretation. Für meinen Geschmack wurde da manchmal etwas zu dick aufgetragen, wenn beispielsweise Hoffnungen zerplatzen wie rote Beeren, auf die man tritt; aber da gehen die Meinungen sicher auseinander.

Die großen Schwächen des Romans sind die vorhersehbaren, mittelmäßig spannenden Thriller-Bausteine, aus denen er zusammengesetzt ist. Bereits nach der Hälfte ahnte ich schon, wie die ganze Dreiecksbeziehung zusammenhängen und ausgehen könnte und dabei lese ich kaum Thriller und bin daher grundsätzlich relativ leicht zu überraschen! Hinzu kommen Charaktere, die (leider!) wie vom Figurenfließband zu kommen scheinen. Obwohl man hervorragend in der jeweiligen Perspektive der Charaktere versinken kann, bleiben sie dennoch seltsam blass und oberflächlich. Als würden sie sich zu 100% an ihre vorgeschriebenen Rollen halten, ohne die kleinste Abweichung zu dulden. Moritz ist einfach der Gute, Raffael der Schlechte und Johanna die Traumatisierte. Basta. Mir fehlten hier beim Lesen die Ausnahmen, die einen Romancharakter menschlich erscheinen lassen und ihm  die nötige Tiefe verleihen.

Ich habe mir von diesem Debüt leider etwas mehr versprochen und bin dementsprechend ein wenig enttäuscht. Den großen Hype um das Buch kann ich leider nicht nachvollziehen. Fallwickls Debüt ist in meinen Augen ein spannend zu lesender Thriller mit besonderem Schreibstil, aber 0815-Elementen. Tolle Unterhaltungsliteratur, aber den anspruchsvollen Roman sehe ich darin nicht. Nichtsdestotrotz habe ich ihn gerne gelesen.