Rezension

Spannende, wirklichkeitsnah erscheinende postnukleare Dystopie

Der Weizen gedeiht im Süden - Schulz Erik D.

Der Weizen gedeiht im Süden
von Schulz Erik D.

Bewertet mit 4 Sternen

REZENSION – „Realitätsnahe Bezüge mit gründlich recherchierten Fakten“ sind ihm besonders wichtig, sagt der unter dem Pseudonym Erik D. Schulz schreibende Arzt über seine Arbeit als Autor. Gleichzeitig geht es ihm um Spannung und Unterhaltung „durch eine intensive, emotionale Zeichnung der Romanfiguren“, verbunden mit „einer Portion Optimismus, der den Leser an die eigenen Stärken glauben lässt“. Dies alles trifft auf seine im März veröffentlichte postnukleare Dystopie „Der Weizen gedeiht im Süden“ zu. Nach vier Jugendromanen hat sich Erik D. Schulz erstmals an einen Roman für Erwachsene herangewagt – und dieses Wagnis ist gelungen.

Nicht nur der 75. Jahrestag des amerikanischen Atombombenabwurfs auf Hiroshima und Nagasaki im August 1945, sondern erst recht die derzeitigen weltpolitischen Verwerfungen durch autokratische Staatslenker, hier vor allem der Wirtschaftskonflikt zwischen den USA und China, geben diesem Roman, dessen Autor sich in seinem Hauptberuf in der Organisation Internationaler Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges und die Abrüstung atomarer Waffen (IPPNW) engagiert, eine besondere, eine fast erschreckende Aktualität. Denn auch Schulz' Roman beginnt nach einem weltweiten Atomkrieg, der durch einen Wirtschafts- und Cyberkrieg zwischen den USA und China ausgelöst wurde. Das Leben in der nördlichen Hemisphäre ist weitestgehend vernichtet, Europa ist verstrahlt und bei minus 25 Grad mit hüfthoher Schneedecke bedeckt.

In einem mit allem Lebensnotwendigen komfortabel ausgestatteten Riesenbunker in den Schweizer Alpen überleben 300 Menschen. Doch plötzlich ist das Trinkwasser verstrahlt, auf dem unterirdischen, überlebenswichtigen Weizenfeld breitet sich die Getreidepest aus und der zum Psychopathen sich entwickelnde Bunker-Leiter wird immer unberechenbarer. Um dem garantierten Strahlen- und Hungertod zu entkommen, flieht eine kleine Gruppe um den Arzt Oliver Bertram und dessen 14-jährige Tochter Annabel aus dem Bunker und findet nach mehrwöchigem abenteuerlichem und gefährlichem Weg durch die lebensfeindliche Schneewüste Europas und die Hitze Nordafrikas endlich Rettung im Sudan, allerdings nicht ohne vorher noch in einem mit tausenden europäischen Überlebenden überfüllten Flüchtlingslager dem Typhus ausgesetzt zu sein. Dennoch ist der afrikanische Kontinent, die einstige „Wiege der Menschheit“, nun die letzte Hoffnung aller Überlebenden.

Der Autor versteht es, mit seinem Roman die Leser zu packen. Die stellenweise in Einzelheiten gehenden, trotzdem nie langweilenden Schilderungen lassen den Roman absolut authentisch wirken, auch wenn märchenhaft klingt. So überrascht es doch, dass die Flüchtlingsgruppe im zerstörten Locarno nicht nur ein vollgetanktes Kleinflugzeug findet, sondern ihr Anführer sogar einen Flugschein hat, um die Gruppe komfortabel nach Afrika zu bringen. Auch wundert man sich, dass im Laufe der Flucht alle Begleitpersonen um Oliver Bertram ums Leben kommen, aber kein Mitglied seiner neu geformten „Familie“.

Doch sind dies als dramaturgische Mittel nachzusehende Punkte in dem sonst recht wirklichkeitsnah erscheinenden Roman. Dem Autor gelingt es tatsächlich, wie eingangs zitiert, die an sich selbst gestellten Forderungen zu erfüllen: Die Geschichte ist spannend und trotz der tristen Weltuntergangsstimmung noch unterhaltend. Die Figuren sind im Guten wie im Schlechten nachvollziehbar charakterisiert. Abschließend bleibt sogar der vom Autor versprochene Optimismus und tröstliche Hoffnungsschimmer eines möglichen Neuanfangs nach der Katastrophe.