Rezension

Spannender Auftakt mit zu perfekten, makellosen Charakteren

Erwacht - Jessica Shirvington

Erwacht
von Jessica Shirvington

Bewertet mit 4 Sternen

*Worum geht's?*
Violet Eden musste in ihrem jungen Leben bereits einige Schicksalsschläge erleiden. Ihre Mutter ist kurz nach ihrer Geburt verstorben und seit sie nach einem Vergewaltigungsversuch eines Lehrers die Schule wechseln musste, fällt es ihr unglaublich schwer, Anschluss zu finden. Violet kann sich nur auf ihre beste Freundin Steph und ihre heimliche Liebe Lincoln verlassen - dachte sie zumindest, denn als sie an ihrem siebzehnten Geburtstag einen Brief ihrer toten Mutter zu lesen bekommt, ändert sich alles. Sie erfährt, dass sie Engelskräfte in sich trägt und eine Grigori sein könnte; ein Wächterengel, der die Verbannten aus dem Engelsreich bekämpfen muss. Lincoln gehört ebenfalls zu ihnen und wusste bereits vor Jahren von Violets Schicksal. Entsetzt, enttäuscht und verletzt distanziert sich Violet von ihm. Wie konnte er sie nur so lange im Dunkeln lassen?! Währenddessen kommt sie Phoenix immer näher, einem verbannten Engel, der eigentlich ihr Feind sein sollte. Violet bleibt nicht viel Zeit, ihre Gefühle zu ordnen: Als ihre wahren Feinde beginnen, andere Grigori zu ermorden, muss sie eine Entscheidung treffen: Wird sie sich ihrer Gabe annehmen?

*Kaufgrund:*
Paranormale Liebesgeschichten sind bei mir immer sehr beliebt und nach Vampir, Werwolf & Co sind nun die Engel an der Reihe. Neben der Liebe versprach der Klappentext außerdem eine Menge Spannung und Action. "Romantisch. Dramatisch. Atemberaubend" lauten die Schlagworte, die in meinem Kopf nur ein Bedürfnis auslösten: Lesen!

*Meine Meinung:*
Jessica Shirvington fällt zu Beginn ihres Romans nicht mit der Tür ins Haus. Man wird nicht sofort in eine aktionsgeladene Handlung hineingeworfen, sondern erhält erst einmal die Möglichkeit, sich
mit Protagonistin Violet anzufreunden und sich einen Überblick über ihre Vergangenheit und ihre Gefühle zu verschaffen. Nach der Einfindungsphase - ungefähr 100 Seiten lang - kommt die Geschichte dann sichtlich in Fahrt und ein Ereignis folgt augenblicklich auf das nächste. Shirvington hat sich dabei sichtlich bemüht, die Liebe in den Vordergrund zu schieben, ohne Violets Leben als Wächterengel dabei untergehen zu lassen. Um ehrlich zu sein: Ich habe erwartet, dass der Autorin dies nicht recht gelingen würde. Falsch gedacht! Sie schafft eine gute Balance, die den Roman bis zur letzten Seite interessant macht. Wer sich jedoch blutrünstige Kämpfe verspricht, wird im ersten Band der Reihe nicht recht fündig. Durch die vielen offenen Geheimnisse und Konflikte scheint es jedoch so, als solle sich das im Folgeteil ändern. Während der letzten Seiten kommt es noch einmal zu einem großen Showdown, der einiges grundlegend verändert und somit eine gute Basis für die Fortsetzung bietet.

Der Schreibstil der Autorin ist flüssig und leicht. Nicht besonders anspruchsvoll, aber für ein Jugendbuch passend und erfrischend. Sie verliert sich nicht in ausschweifenden Beschreibungen, und das ist auch gut so, denn sonst wäre der Roman langatmig oder vielleicht sogar langweilig geworden. Bedauerlicherweise wiederholen sich einige Passagen auffallend oft. Nach der letzten Seite kann ich die Engel nicht mehr "riechen"! Immer, wenn einer auftaucht, beschreibt die Autorin den Geruch von Äpfeln. Ein, zwei Mal - okay. Jedes Mal? Nein, danke!

Leider muss ich sagen, dass Protagonistin Violet, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird, in meinen Augen keine gute Entwicklung vollzieht. Zu Beginn des Romans mochte ich sie und ihre natürliche, eher zurückhaltende Art sehr gern, doch sobald sie von ihrem Schicksal als Grigori erfährt, geht es langsam, aber sicher bergab. Sie wird immer selbstbewusster, aktiver - klingt gut? Ist es nicht! Sie wird zu perfekt, ist plötzlich das hübscheste Mädchen auf dem Planeten, das jeden Jungen haben kann, und besitzt unglaubliche Kräfte, über die - wer hätte das gedacht - sonst niemand verfügt. Dadurch geht jegliche Natürlichkeit verloren und man kann sich immer schlechter mit ihr identifizieren.

Lincoln und Phoenix, die beiden Jungs in dem Dreiecksgeflecht, stehen fast so sehr im Vordergrund wie Violet selbst. Einer der beiden ist quasi immer an Violets Seite. Sie sollen wohl Gegensätze darstellen, trotzdem sind sie sich eigentlich sehr ähnlich. Auch hier ist mein größter Kritikpunkt: Sie sind zu rund und besitzen keine Ecken und Kanten! Sympathisch sind sie, keine Frage, und wer gerne bei emotionalen Gefühlsszenen mitschwärmt, kommt auf jeden Fall auf seine Kosten. Nichtsdestotrotz hätte ich gerne ein paar kleine Fehlerchen an den Charakteren gesehen.

*Cover:*
Bevor ich das Buch gelesen hatte, fand ich es noch ganz okay. Nichts besonderes, nichts außergewöhnliches, nichts auffallendes; eben total typisch! Mädchen auf dem Cover sind in diesem Genre nun wirklich nichts Neues, aber durch die Flügel passt es zumindest zum Thema. Als ich während des Lesens allerdings herausfand, dass Shirvingtons Engel gar keine Flügel haben, war ich sehr enttäuscht und das Cover gefiel mir gar nicht mehr. Ein gewisser Bezug zum Inhalt sollte schon gegeben sein...

*Fazit:*
"Erwacht" von Jessica Shirvington ist der Auftakt einer vielversprechenden Reihe. Es ist der erste Roman der Autorin und hat mir gut gefallen, obwohl er an einigen Stellen sicherlich ausbaufähig ist. Trotz der hohen Seitenzahl habe ich "Erwacht" dank der tollen Geschichte regelrecht verschlungen! Die Charaktere geben dem Roman jedoch einen kleinen Dämpfer: Hier hätte ich mir mehr Ecken und Kanten gewünscht! Insgesamt gebe ich "Erwacht" knappe 4 Sterne. Die Fortsetzung, "Verlockt", soll im Frühjahr 2012 erscheinen.