Rezension

Spannender Einblick in eine turbulente Zeit und Familie

Die zitternde Welt -

Die zitternde Welt
von Tanja Paar

Bewertet mit 4 Sternen

Das Buch erzählt von einem Land, das ich kaum kenne, zu einer Zeit, die von Umbrüchen geprägt ist. Genau wie das Leben der Protagonisten.

Das Buch lässt mich in eine Ecke der Welt blicken, über die ich wenig weiß, zu einer Zeit, die von Umbrüchen geprägt ist. Genau wie das Leben der Protagonisten. Die Geschichte erzählt über ein halbes Jahrhundert von einer österreichischen Familie, die Ende des 19. Jahrhunderts im türkischen Hinterland durch den Bau der Bagdad-Bahn ihr Glück findet und deren Leben dann von zwei Weltkriegen durcheinander gewirbelt wird.

Zugegeben – der Anfang war nicht leicht für mein tierliebendes Herz, noch dazu weil es so plötzlich kam. Ich habe etwas gebraucht, um mich damit abzufinden. Inzwischen denke ich es ist ein guter Einstieg, der von Beginn an einen Eindruck von der Geschichte vermittelt. Vor allem von dem Verhältnis zwischen Maria und Wilhelm – den Eltern der Familie, von der das Buch erzählt. Die beiden sind in meinen Augen kein Liebespaar, sondern fechten permanent Machtkämpfe miteinander aus. Das macht ihre Beziehung sehr spannend zu lesen. Der Perspektivwechsel zwischen den beiden verstärkt das noch. Wirklich sympathisch finde ich aber weder Maria, noch Wilhelm, noch ihre Kinder. Sie sind mir alle zu egozentrisch und ignorant, aber sie sind tolle Protagonisten für das Buch. Durch ihre schwierigen Charaktere lässt mich die Erzählung nicht nur in die damalige Zeit blicken, sondern wirft auch Fragen auf und erlaubt mir das Gelesene zu reflektieren.

Die Handlung lässt mich auch viel über die Türkei lernen. Ein Land, über das ich ehrlich gesagt nicht sehr viel weiß, besonders nicht zu der damaligen Zeit. Auch die politischen Zusammenhänge und Machtkämpfe finde ich interessant. Dabei komme ich nur leider nicht immer hundertprozentig mit. Ganz grundlegend fehlt mir das Wissen über die politische Lage dort zu Beginn der Geschichte und dann werden die weiteren Entwicklungen nicht genau erklärt, sondern fließen immer nur in Gesprächen mit ein. Das finde ich schade – ich kann mich eigentlich schon für Geschichte begeistern, aber hier fehlen mir einfach zu viele Infos. Was ich deutlich spüren kann, ist der Wandel, der sich im Buch anbahnt, als der erste Weltkrieg im Anmarsch ist. Die Erzählung macht es sehr spürbar, wie er sich als Bedrohung für ganz Europa, aber besonders auch für die Familie, Maria, Wilhelm und ihre Kinder nähert und sie schließlich in dessen Fänge geraten.

Dabei erstaunt es mich, dass die Geschichte mit ihren 300 Seiten bei mir das Gefühl weckt einen mindestens doppelt so dicken Familienepos zu lesen – das meine ich im positiven Sinn. Die Jahre verrinnen problemlos zwischen den Seiten, während die Erzählung von einer Generation zur nächsten wechselt. Mir gefällt das, finde ich die üblichen Familienepen immer zu langatmig und unnötig gestreckt. Gleichzeitig mag ich Bücher, die das Schicksal einer Familie über die Jahre erzählen mit all ihren Beziehungen und Veränderungen. Hier bekomme ich Letzteres ohne Ersteres. Die Zeitsprünge nach vorne werden dabei sehr flüssig erzählt ohne dass ich mich beim Lesen daran stoße. Nur die Zeitsprünge zurück, wenn sich jemand erinnern, desorientieren mich manchmal für kurze Zeit. Ob mir das Ende gefällt, weiß ich nicht so recht. Es besteht aus lauter Andeutungen und Mutmaßungen, die mich ganz schön zum Mitdenken zwingen, ohne mir schließlich eine Antwort zu geben.