Rezension

Spannender historischer Roman

Das bretonische Mädchen - Birgit Constant

Das bretonische Mädchen
von Birgit Constant

Bewertet mit 5 Sternen

„...Roger versuchte, ruhig zu atmen. Er hasste Unterredungen mit seinem Vater. Sie glichen dem Schwimmen in einem reißenden Strudel, in dem jemand ein Rettungsseil wirft, das an einem morschen Ast befestigt ist...“

 

Wir schreiben das Jahr 1086. William, ältester Sohn und Erbe des Normannen Sire Geoffrey, fordert den 17jährigen Dänen Brandolf zum Kampf heraus. William stirbt dabei. Brandolf muss mit einer Gerichtsverhandlung rechnen.

Roger, zweiter Sohn von Sire Geoffrey, setzt sich für seinen Freund ein, wie das obige Zitat zeigt. Doch Roger hat in der Achtung seines Vaters immer eine untergeordnete Rolle gespielt. Das liegt auch daran, dass seine Mutter eine Angelsächsin ist.

Die Autorin hat einen spannenden und abwechslungsreichen historischen Roman geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen.

Die Personen werden gut charakterisiert. Roger ist am Anfang ein ungestümer junger Mann. Er kann seinen Zorn nur schwer zügeln. Außerdem nagt an ihm die Missachtung seines Vaters. Er würde alles tun, um endlich von ihm gelobt und anerkannt zu werden. Doch selbst nach Williams Tod ist Sire Geoffrey nicht bereit, ihn als Nachfolger zu benennen. Glücklicherweise gibt es den Fechtmeister Oswulf, der Roger mit geschickter Hand leitet und dessen Fähigkeiten entwickelt. Er stellt fest:

 

„...Du trittst ein schweres Erbe an, Roger. Dein Vater wird es dir nicht leicht machen...“

 

Sire Geoffrey zeigt den Stolz und die Überheblichkeit eines Normannen. Das Recht legt er nach Gutdünken aus, vor allem gegenüber anderen. Brutale Strafen sind die Regel, nicht die Ausnahme.

Als Roger seiner Schwester die Todesnachricht von William ins Kloster bringt, lernt er dort das bretonische Mädchen Gwennaol kennen. Die junge Frau beeindruckt ihn. Sein Vater aber unterbindet die Beziehung. Jetzt wird Roger misstrauisch. Verbirgt die junge Frau ein Geheimnis über seinen Vater?

Gekonnt werden die historischen Fakten in die Geschichte integriert, sei es die Verhandlungen von König William mit Philippe I., der Tod des Königs und die brisante Nachfolgeregelung. Auch Sire Geoffrey ist mit dem König unzufrieden und macht seinem Ärger Luft:

 

„...Nur seine wichtigsten Vasallen und deren Männer sind dort geblieben. Alle anderen hat er nach England zurückgeschickt. Er will keine Mäuler durchfüttern, die er nicht brauchen kann...“

 

Gut wiedergegeben wird die Entwicklung von Roger. Je mehr die Ungerechtigkeit seines Vaters und dessen Gefühllosigkeit selbst gegenüber treuen Bediensteten zunimmt, um so mehr reift Roger innerlich. Er lernt es, sich zu beherrschen und sein Verhalten zu steuern. Wieder ist es Oswulf, der ihm einen wichtigen Ratschlag gibt:

 

„...Es ist wie beim Schachspiel: Nur wer sein Vorgehen gründlich plant, überlegt handelt und sich durch Rückschläge nicht aus der Ruhe bringen lässt, wird am Ende als Sieger dastehen...“

 

Zu den stilistischen Höhepunkten gehören für mich die exakt ausgearbeiteten Dialoge. Auf die Gespräche zwischen Oswulf und Roger habe ich schon mehrmals verwiesen. Berührend aber ist ein Dialog zwischen Roger und Richard. Richard ist etwas jünger als Roger und zur Ausbildung am Hof. Er ist ein ruhiger und besonnener Charakter und sieht zu Roger auf. Dann aber versucht jemand durch unbewiesene Gerüchte einen Keil zwischen beide zu treiben. Das Gespräch geht für beide an die psychischen Grenzen, hilft ihnen aber letztendlich zu erkennen, was sie aneinander haben.

Ganz anders liest sich der Dialog zwischen Roger und der Nonne Agathe. Hier haben mich vor allem Rogers kursiv gesetzte Gedanken wiederholt zum Schmunzeln gebracht, so dieser Satz:

 

„...Einem verwundeten Wildschwein zu entwischen, wird leichter sein, als an dieser Frau vorbeizukommen...“

 

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es lässt die Zeit zu Beginn der normannischen Besetzung in England lebendig werden.