Rezension

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Spannender Jugendroman mit kleinen Schwächen...

Zwischen Jetzt und Morgen - Sabine Bartsch

Zwischen Jetzt und Morgen
von Sabine Bartsch

Bewertet mit 3.5 Sternen

Spannender Jugendroman mit kleinen Schwächen...

Der Jugendroman „Zwischen Jetzt und Morgen“ von Sabine Bartsch ist am 24.06.2019 im Selfpublishing erschienen und spielt in Deutschland.

Maryam Landmann ist eine Außenseiterin. Sie wünscht sich so sehr beliebt zu sein und allen Jungs den Kopf zu verdrehen, doch dafür ist sie einfach nicht hübsch genug, findet sie. Um möglichst gut mit der eigenen Situation umgehen zu können, hat sie beschlossen, Zynikerin zu werden und bemüht sich gar nicht erst, irgendjemandem zu gefallen. Bis durch eine Konfrontation mit zwei Schulkameraden plötzlich der beliebte  und gutaussehende Hannes auf sie aufmerksam wird und sie bittet, ihm Nachhilfe zu geben. Vor Maryam liegt eine aufregende Zeit, die geprägt ist von vielen Zweifeln und ihrem inneren Konflikt, ob sie Hannes vertrauen kann und er es ehrlich mit ihr meint oder ob sie sich vor ihm in Acht nehmen soll, weil er sie womöglich nur vorführen will.

Einen Abend habe ich für diesen Roman gebraucht, der mich am Ende überrascht, aber leider auch ein wenig enttäuscht hat.

Das Cover gefällt mir ausgesprochen gut. Es passt zur Geschichte und die Schaukel könnte symbolisch fürs Erwachsenwerden stehen. Wirklich schön!

Auch der Klappentext sprach mich sofort an. Er deutet den Hauptkonflikt an, ohne zu viel zu verraten und macht auch das Genre klar. Ehrlicherweise muss ich gestehen, dass ich glaube, dass sich nicht unbedingt die Zielgruppe angesprochen fühlt, aber das ist nur meine persönliche Meinung.

Maryam Landmann ist ein 16-jähriges Mädchen, das sich wünscht beliebt und hübsch zu sein. Doch trotz ihres etwas geminderten Selbstwertgefühls tritt sie ziemlich selbstsicher auf und wirkt auch recht mutig. Ich finde gerade starke Protagonistinnen gut, doch gibt es für mich einen kleinen Widerspruch in dieser Figur. Einerseits will sie gern von den Jungen begehrt werden und cool sein, gemocht werden. Typischerweise reagieren Jugendliche in dem Alter dann eher so, dass sie nett sind und sich anpassen. Zwar finde ich gut, dass sie sich ein Stück weit abgrenzt, aber für mich ist es so leider nicht authentisch. Außerdem gefällt mir auch nicht alles, was sie sagt und wie sie es sagt. Maryam kennt die Rolle der Außenseiterin und weiß auch, wie schwer es zum Teil ist, damit umzugehen bzw. weiß auch, dass es wehtun kann. Trotzdem ist sie in ihren Äußerungen mitunter sehr beleidigend und von oben herab. Oft entsteht bei mir außerdem der Eindruck, dass sie besserwisserisch ist und ihr irgendwie alles gelingt. Da es ein Jugendroman ist, in dem die Protagonistin schon auch eine Vorbildwirkung inne hat, finde ich dieses Verhalten nicht immer gut. Für mich wird leider auch Maryam’s Ziel nicht richtig deutlich und sie macht mir persönlich zu wenig Entwicklung durch. Daneben fehlen mir richtige Hürden, die sie zu überwinden hat. Maryam gerät zwar in eine sehr gefährliche Situation, aber das war es ja auch schon fast. Insgesamt ist sie mir leider nicht sehr sympathisch, auch wenn mir der Ansatz einer starken Protagonistin sehr gefällt.

Auch bei den Nebenfiguren habe ich ein paar Beanstandungen. Im Grunde sind die meisten wirklich nett und wenn sie nicht nett sind, soll es meines Erachtens auch so sein. Zum Teil sind die Figuren aber sehr klischeehaft und auch oberflächlich, wie z.B. die großbusige, von allen Jungs begehrte, blauäugige Tamara, die total naiv ist oder der wunderschöne, sexy und allseits beliebte Hannes. Da hätte ich mir mehr Einzigartigkeit und vor allem mehr Tiefe für alle Figuren gewünscht.  Die Figuren sind in allem recht absolut, entweder schön, dumm oder böse.

Ganz besonders schwierig finde ich den Umgang mit sensiblen Themen. Das Thema „Akne“ ist in der Pubertät häufig sehr belastend für die Betroffenen. Warum muss gerade der Bösewicht auch noch Akne haben und scheinbar auch nur er? Was löst das bei einem betroffenen Leser/ einer betroffenen Leserin aus? 

Noch viel schlimmer finde ich anfänglich Maryam’s Eltern bzw. deren Äußerungen. Für mich ist das ein absolutes NoGo. SPOILER ANFANG Mutter und Vater lästern tatsächlich über die fast noch nicht vorhandene Oberweite ihrer Tochter und belustigen sich. Die Tochter lauscht und bekommt das mit. SPOILER ENDE Auch an dieser Stelle frage ich mich, was will die Autorin damit erreichen. Ja, Maryam tut mir leid, aber ansonsten bin ich eher erschrocken. Später nehmen sie dann aus meiner Sicht die richtige Rolle ein und beschützen ihr Kind, aber auch die anderen Jugendlichen.

Auch Liam ist sehr eindimensional entwickelt. Er ist das „typische Opfer“ und wirkt dazu auch leider noch sehr dümmlich, auch wenn er ein netter Kerl ist.

Ganz besonders gern mag ich Tobi. Er scheint recht reif zu sein und will Maryam ja auch beschützen. Ihm ist schnell klar, wer ein falsches Spiel spielt und versucht es dann auch den anderen deutlich zu machen.

Die Handlung hat mir insgesamt gut gefallen. Zwar fand ich auch hier den Anfang sehr klischeehaft (der Beginn einer typischen Teenie-Romanze), aber das ändert sich dann ja und es wird eher ein kleiner Thriller. Es gibt eine gut entwickelte Spannungskurve, nur ist meines Erachtens recht vorhersehbar, wer hinter allem steckt. Außerdem hätte ich mir hier mehr Tiefe für den Antagonisten gewünscht, um zu erfahren, was dessen Beweggründe für alles sind. Es gibt aus meiner Sicht keine wirklichen Konflikte, außer dem Hauptkonflikt, dafür aber den ein oder anderen überraschenden Twist. 

Besonders gefallen hat mir, dass die Freunde zusammenhalten und füreinander einstehen.

Aber wie liest sich das Buch nun?

Es sind 20 kürzere Kapitel, die in der ICH- Form im Präteritum aus Maryam’s Sicht geschrieben sind. Das gefällt mir gut, vor allem, um sich in die Hauptfigur hineinversetzen zu können und ihre Gedanken und die Gefühle verstehen zu können.

Der Schreibstil ist locker und flüssig. Doch meines Erachtens passt der Ausdruck nicht immer zur Zielgruppe und auch nicht zu den Protagonisten. Teilweise sind ordinäre Ausdrücke dabei, denen dann wiederum schon fast wieder etwas Kindliches entgegensteht. SPOILER ANFANG sagt eine 16- jährige wirklich: „Dieser pickelige Daniel ist das hinterletzte Arschloch...und ich bin schwer verwundert, dass du mit ihm abhängst.“? Meine 14-jährige Tochter hat mich schief angeguckt und gefragt, wer so spricht. SPOILER ENDE Ansonsten gelingt es der Autorin aus meiner Sicht sehr gut, Spannung aufzubauen. Was ich noch etwas anstrengend beim Lesen fand, waren die vielen angeschnittenen Themen, z.B. Alkoholkonsum, Mobbing, Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, Gewalt etc. Ich hätte mir ein Thema gewünscht, das dann aber intensiv und in verschiedenen Facetten dargestellt bzw. beleuchtet wird. Die Dialoge wirkten zum Teil noch etwas schwerfällig. In Anbetracht der Zielgruppe sollte es noch lebendiger und umgangssprachlicher werden. Insgesamt liest sich die Geschichte aber gut und schnell weg.

Mein Fazit nach 200 Seiten:

„Zwischen Jetzt und Morgen“ ist ein Jugendroman, der zeigt, welche Folgen Mobbing haben und wie weit es gehen kann, wenn niemand die Täter stoppt.

Wer einen spannenden Jugendroman sucht, der in Deutschland spielt und neben den ersten Schwärmereien das Thema „Mobbing“ bearbeitet, der dürfte mit diesem Roman gut beraten sein.

Von mir erhält dieses Buch eine Kaufempfehlung (3,5/5 Sternen), weil mir die Geschichte gefallen hat und wirklich spannend war. Ein halbes Sternchen ziehe ich ab für die aus meiner Sicht fehlende Tiefe der Figuren, ein weiteres halbes Sternchen für den Umgang mit sensiblen Themen (Akne, körperliche Entwicklung in der Pubertät) und noch ein halbes Sternchen für den Schreibstil, der meines Erachtens nicht immer zur Zielgruppe und den Protagonisten passt. Ich muss nochmal erwähnen, dass mir dieses Buch wirklich gefallen hat, nur wurde für mich persönlich nicht das gesamte Potenzial genutzt. Schade!

Insgesamt ist es aber ein gelungener Roman, den ich weiterempfehlen kann.

An dieser Stelle weise ich darauf hin, dass es mir fernliegt, die Autorin in irgendeiner Art und Weise zu beleidigen. Ich wünsche mir, dass all meine Anmerkungen als meine persönliche Meinung und als konstruktive Kritik verstanden werden.

Vielen Dank an Sabine Bartsch für diese Geschichte.