Rezension

Spannender roman über Katharina II.

Die Zarin und der Philosoph - Martina Sahler

Die Zarin und der Philosoph
von Martina Sahler

Bewertet mit 4 Sternen

„...Die Zarin macht eine aufgeklärten Eindruck. Es wäre zu viel verlangt, dass sie von einem Tag auf den anderen mittelalterliche Zustände abschafft...“

 

Wir schreiben das Jahr 1762. In Russland wird Zar Peter III. zu Grabe getragen. Kurze Zeit später lässt sich Katharina, seine Frau, zur Zarin krönen. Einst als Prinzessin Sophie von Anhalt - Zerbst geboren, nennt sie sich nun Katharina II.

In Potsdam empfängt Friedrich II. von Preußen den jungen Philosophen Stephan Mervier. Der hofft auf eine Anstellung an der preußischen Akademie, wird aber als Spion an den Hof von Katharina II. geschickt. Friedrich will wissen, was die russische Zarin vor hat.

Die Autorin hat einen fesselnden historischen Roman geschrieben. Gekonnt werden historische Personen und fiktive Protagonisten miteinander in einer spannenden Handlung verwoben, um die Zeit Katharinas lebendig werden zu lassen.

Die Personen werden gut charakterisiert. Zu den historischen Personen gehört Grigori Orlow. Der hofft, von Katharina geheiratet zu werden. Dann aber müsste sie die Macht teilen – und das liegt ihr gar nicht.

Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Das Eingangszitat stammt von Stephan. Es zeigt das Dilemma der Zarin. Einerseits geht die Zeit der Aufklärung nicht an Russland vorbei, andererseits kann sie, um ihre Macht zu erhalten, den Adel nicht vor den Kopf stoßen. Deshalb steht die Abschaffung der Leibeigenschaft nicht auf ihrer Agenda. Gleichzeitig benutzt sie selbst Menschen wie Figuren auf einem Schachbrett. Sie steuert die Heiratspolitik für ihre Untergebenen und ist sich nicht zu schade, Leibeigene als Preis für besondere Leistungen zu verschenken.

Zu den stilistischen und inhaltlichen Höhepunkten gehören für mich die verschiedensten Dialoge. Sonja, ein Mädchen, das die Zarin bei sich aufgenommen hat, ist weit für ihr Alter. Katharina versucht, ihr die aktuelle Politik zu erklären. Das klingt unter anderem so:

„...Man muss sich nicht mögen, nur respektieren, wenn man die Geschicke Europas gemeinsam bestimmt...“

 

Die Gespräche mit Mervier dagegen wirken eher wie ein gegenseitiges Abtasten. Stephan versteckt seine Kritik an der Politik der Zarin und sein Interesse an näheren Informationen in wohlgeformten Sätzen. Er will intellektuelle Diskussionen und sich nicht von Emotionen treiben lassen. Nicht immer gelingt ihm das. Sehr viel deutlicher wird Diderot gegenüber der Zarin.

Wesentliche historische Ereignisse werden mehr oder weniger in die Handlung integriert. Die Pestrevolte wird nur kurz gestreift, der Krieg gegen die Türkei spielt ebenfalls eine geringe Rolle. Ausführlicher wird der Aufstand unter Pugatschow dargestellt.

Anschaulich und in bildhafter Sprache wiedergegeben dagegen wird das Leben in St. Petersburg. Hier werden auch die Unterschiede zu anderen europäischen Metropolen thematisiert.

 

„...Es roch nach Dung und Fettgebackenen. Pastetenverkäufer trugen ihre Ware auf Tabletts vor sich her und priesen sie an, Frauen in bäuerlicher Tracht liefen zwischen herausgeputzten Adligen in feinstem Zwirn...“

 

Deutlich wird, dass sich auch Russland im Umbruch befindet. In intellektuellen Zirkel werden nicht nur philosophische Themen diskutiert. Es erscheinen erste regimekritische Bücher. Natürlich zieht die Zarin aus all dem Schlussfolgerungen für ihre aktuelle Politik. Eine straffere Organisation des Landes ist die eine, die Gründung von Schulen und eine allgemeine Schulpflicht eine andere.

Ein ausführliches Personenregister, eine Zeittafel und ein informatives Nachwort ergänzen das Buch. In den Umschlagseiten befindet sich eine historische Karte von St. Petersburg und eine von Russland.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeichnet ein manchmal farbenfrohes, manchmal düsteres Bild des Lebens in Russland.