Rezension

Spannender Thriller

Die stille Kammer - Jenny Blackhurst

Die stille Kammer
von Jenny Blackhurst

Bewertet mit 4 Sternen

Kann es für eine Mutter etwas Schlimmeres geben, als die Gewissheit, das eigene Kind ermordet zu haben? Susan Webster hat genau dies getan - ihren drei Monate alten Sohn Dylan mit einem Kissen erstickt. Drei Jahre verbrachte sie in der Forensischen Psychiatrie, nun lebt sie unter dem neuen Namen Emma in einer anderen Stadt. Doch die Vergangenheit lässt sie nicht los. Sie erhält einen Brief mit einem Foto eines kleinen Jungen - laut Notiz auf der Rückseite soll es Dylan heute zeigen. Kann es sein, dass ihr Kind lebt? Susan, psychisch noch nicht völlig stabil, beginnt an ihrem Verstand zu zweifeln, aber auch, sich Hilfe zu holen. Ihre beste Freundin Cassie und der Journalist Nick helfen Susan dabei, herauszufinden, was vor drei Jahre wirklich geschah. Plötzlich scheinen andere Ereignisse, die über zwanzig Jahre zurückliegen, mit Dylans Tod zusammenzuhängen. 

Der Autorin gelingt es von Anfang an, Spannung aufzubauen. Susan war mir trotz ihrer schlimmen Tat, an die sie keine Erinnerung hat, sofort sympathisch. Ihre beste Freundin Cassie ist ein Glücksfall für sie, und auch der Journalist scheint ihr in erster Linie helfen zu wollen und nicht nur auf eine reißerische Story auszusein. Die zweite Handlungsebene, die Rückblende in die 1980er und -90er Jahre, scheint zunächst nichts mit Susans Geschichte zu tun zu haben. Die Erzählung von der Jungsclique erinnerte ein bisschen an die »Kindheitsidylle«, mit der manche Geschichte vom großen Meister Stephen King beginnt und wo dann plötzlich das Grauen hereinbricht. Insofern fand ich diesen Teil ebenfalls sehr spannend, weil eine latente Bedrohung in der Luft schwebte.  Der Zusammenhang zu Susans Geschichte erschließt sich erst allmählich. 

Susan als Hauptfigur wirkt für mich sehr authentisch mit ihren Zweifeln, Schuldgefühlen, aber auch in ihrer Hoffnung. Die anderen Figuren sind teilweise interessant, z.B. Cassie und auch Jack und seine Entwicklung. So richtig warm wurde ich mit manchen von ihnen aber nicht. Mir fehlte einfach die Logik in ihrem Handeln, bzw. die Nachvollziehbarkeit ihrer Motive. Dass z.B. die Jungs der Clique wirklich so sehr von Jack abhängig sind, seine Anweisungen bis zum letzten mittragen, ohne sie zu hinterfragen oder ihren eigenen moralischen Grenzen zu unterwerfen. Jennifer blieb mir bis zum Schluss ein Rätsel. Und kann ein Mensch mit durchschnittener Kehle und »toten Augen« eine halbe Stunde später immer noch am Leben sein? Auch die Motivation anderer Randfiguren, die erst zum Ende der Geschichte ins Spiel kommen, war für mich nicht nachvollziehbar. Gerade das erwarte ich aber von einem guten Psychothriller, dass ich die Psyche der agierenden Personen zumindest ansatzweise verstehe. 

Alles in allem ein spannender Thriller mit einer langsam wachsenden, überraschenden Auflösung. 4****