Rezension

Spannender und gut durchdachter Thriller

Red Dragon. Roter Drache, englische Ausgabe - Thomas Harris

Red Dragon. Roter Drache, englische Ausgabe
von Thomas Harris

Bewertet mit 3.5 Sternen

Als das FBI bei einem besonders kniffligen Fall nicht weiterkommt, zieht es Will Graham hinzu. Ein Spezialist für Serienmörder, der sich eigentlich zur Ruhe gesetzt hat. Graham hat die Fähigkeit, sich in Serienmörder hineinzudenken, und es gibt einige Kollegen, die ihn selber für ein wenig gestört halten. Um die Tooth Fairy zu fangen, muss Graham sich mit seinem einstigen Feind verbünden - den Kannibalen Hannibal Lecter. Aber wird Lecter dem Mann helfen, der ihn schließlich gefasst hat?
Hannibal Lecter wird wohl den meisten ein Begriff sein, nicht zuletzt durch Anthony Hopkins' meisterhafte Performance oder die recht neue Serie Hannibal. Das Schweigen der Lämmer habe ich schon dreimal oder so gesehen, deswegen war ich sehr neugierig auf den "buchigen" Hannibal. Würden sich die Verfilmungen rückblickend als würdig erweisen oder stellen sie die Vorlage in den Schatten?
Ich betone immer wieder gerne, dass ich nicht der größte Krimi- und Thrillerfan bin. Es gab da einfach schon zu viele, die mich nicht überzeugen konnten oder einfach nicht positiv aus der Masse herausgestochen sind. Red Dragon ist da zum Glück anders. Schon von den ersten Seiten an war ich im Bann des Buches gefangen und konnte es kaum zur Seite legen.
Star des Buches ist natürlich Hannibal Lecter. Auch wenn er relativ selten vorkommt, beherrscht er doch die Szenen, in denen er da ist. Er ist einnehmend und allen anderen weit überlegen. Doch auch die anderen Figuren sind gut ausgearbeitet, auch wenn man über viele gar nicht so viel erfährt. Will Graham zum Beispiel bleibt an der Oberfläche ziemlich blass. Er scheint als Mitarbeiter des FBIs nur seine Funktion zu erfüllen, seine Taten charakterisieren ihn aber stark. Besonders toll finde ich, dass Tendenzen, die er in diesem Roman hat, in The Silence of the Lambs weiter ausgeführt worden sind. Er ist ein tragischer Charakter, der auf seinem Gebiet zwar einer der besten ist, gleichzeitig damit aber so viel Angriffsfläche bietet, dass er eigentlich kein Happy-End haben kann.
Der Roman wird hauptsächlich aus der Sicht Grahams erzählt, doch der Mörder, die Tooth Fairy oder Red Dragon, erhält mit der Zeit immer mehr Erzählraum.
Dabei liegt ein großer Fokus auf der Vergangenheit von Francis Dolarhyde, welche viel über ihn und seine Art des Tötens erklärt. Er ist ein besonders interessanter Bösewicht, weil ihm seine Verbrechen teilweise vom Roten Drachen eingegeben werden und er versucht, sich gegen diesen zu wehren.
Auch wenn ich seine Motive und Vergangenheit sehr spannend fand, nahm diese Erzählung teilweise ein bisschen Oberhand und ließ die Polizeiarbeit darüber verblassen. So hatte ich dann auch ziemlich am Ende das Gefühl, dass das FBI eher durch Glück auf die richtige Spur kommt.
Der Schreibstil ist, wie ich auch erwartet habe, eher distanziert und gleichzeitig sehr detailliert. Man merkt gleich, dass Thomas Harris große Einblicke in Psychologie, Forensik usw. hatte, um solch einen komplexen Serienkiller zu erschaffen und die Polizeiarbeit glaubwürdig darzustellen. 
Ein ganz, ganz großes Plus des Romans ist das Finale, das es schafft, das Blatt noch einmal umzudrehen und sowohl die Figuren als auch die Leser eiskalt zu erwischen, sodass man am Ende etwas fassungslos zurückbleibt.
Insgesamt ist Red Dragon also ein recht kurzweiliger Thriller, welchen man in wenigen Stunden durchlesen kann und der währenddessen an Spannung kaum einbüßt. Schade fand ich, dass die Geschichte des Täters einen etwas zu großen Raum einnimmt und somit die Spurensuche etwas zu sehr in den Hintergrund gerät.