Rezension

Spannender und wahnsinnig gut recherchierter historischer Roman

Die englische Fürstin - Sabine Weigand

Die englische Fürstin
von Sabine Weigand

Bewertet mit 5 Sternen

Daisy ist die schönste junge Debüttantin in London und geht recht unbedarft in die Ehe mit dem deutschen Fürsten Hans Heinrich von Pless, der unglaublich reich, aber auch wesentlich älter ist als sie. In Schlesien angekommen, wo sich sein Anwesen und seine Ländereien/Fabriken/Bergwerke befinden, muss sie feststellen, dass es dort doch um einiges steifer und weniger herzlich zugeht als in England. Und dann lassen die Kinder auch noch auf sich warten, worunter sie sehr leidet….

Meine Meinung:
Die Autorin Sabine Weigand schlägt in ihrem neuen historischen Roman auf über 600 Seiten einen großen Bogen in der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts bis nach dem Ersten Weltkrieg, immer entlang des Lebens von Daisy von Pless.
Dabei wird schon durch die Einbindung von historischen Quellen wie Zeitungsausschnitten, Briefen und Tagebucheinträgen deutlich, wie gründlich und fundiert die Autorin hier recherchiert hat. Auch der Roman wird dadurch sehr spannend und abwechslungsreich zu lesen, weil die Perspektiven immer mal wieder wechseln und man so ein sehr gutes und rundes Bild bekommt.
Dabei trägt die Autorin jedoch nie so dick auf, dass man meint, sie wolle mit dem erhobenen Zeigefinger daherkommen, sondern es fügt sich alles sehr natürlich zusammen. 

Der Schreibstil ist grundsätzlich so flüssig und lebendig, dass ich direkt sehr gut in die Geschichte hineingekommen bin und das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen wollte, weil ich von der spannenden Geschichte so gefangen war.
Die Protagonistin Daisy war mir von Anfang an sympathisch, obwohl – oder gerade weil – sie ihre Ecken und Kanten hat. Im Laufe der Handlung habe ich sie zunehmend weiter bewundert, weil sie sich zu einer starken Persönlichkeit entwickelt, die sich nicht alles gefallen lässt und die dort hilft, wo Hilfe notwendig ist. Sie erkennt das Elend der nicht-privilegierten Menschen, sieht Zusammenhänge, wo man helfen kann, und schafft es durch ihren Einfallsreichtum und durch geschickte Nutzung ihrer Kontakte nachhaltige Hilfsprojekte aufzusetzen.

Ihr eigenes Leben an der Seite eines Mannes, der sie nicht wirklich liebt, sie immer wieder betrügt und versucht, sie in ihrer Freiheit zu beschränken, ist nicht leicht. Umso bewundernswerter finde ich es, wie sie immer wieder Wege findet, sich kleine Freiheiten zu nehmen und auch für sich selbst ein kleines Glück zu schaffen.

Neben der Lebensgeschichte von Daisy lernt man auch etwas über das Leben der nicht so privilegierten Menschen, insbesondere anhand der fiktiven Person Joschi Siebenbürger, der für Daisy bzw. die von Pless arbeitet.
Dies ist eine gute Ergänzung bzw. ein sehr krasser Kontrast zur Lebensweise der adeligen Bevölkerung (in Deutschland).

Besonders interessant fand ich es, dass ich durch den Roman einiges zu den historischen Zusammenhängen vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg und auch zum Verhältnis der verschiedenen Länder in Europa (insbesondere Preußen und England) gelernt bzw. vertieft habe.

Fazit:
Ein rundum gelungener historischer Roman, der sicherlich mit zu den besten gehört, die ich in der letzten Zeit gelesen habe.