Rezension

Spannendes Debüt!

Während du stirbst - Tammy Cohen

Während du stirbst
von Tammy Cohen

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt:

Jessica Gold ist neunundzwanzig Jahre alt, ziemlich unscheinbar, psychisch labil und lebt seit Jahren in einer recht eingefahrenen und langweiligen Beziehung. Als sie an Heiligabend in letzter Minute ihre Weihnachtseinkäufe erledigt und in einem Café eine kleine Pause einlegt, setzt sich ein gutaussehender Fremder zu ihr und überhäuft sie mit Komplimenten. Sie ist so fasziniert von dem attraktiven und charmanten Dominic Lacey, dass sie seiner Einladung folgt und ihn arglos in seine Wohnung begleitet. Doch dort stellt sich schnell heraus, dass Dominic keineswegs der einfühlsame und liebenswürdige Mann ist, für den Jessica ihn zunächst hielt, denn er macht ihr unmissverständlich klar, dass sie von nun an seine Gefangene ist und er sie nicht mehr gehen lassen wird. Tagelang misshandelt und demütigt er sie, die Nächte muss sie angekettet in einer Hundehütte neben seinem Bett verbringen und jeden Tag überreicht er ihr ein Geschenk. Zwölf Geschenke hat er für sie vorbereitet, zu jedem erzählt er ihr eine Geschichte aus seiner Vergangenheit, die ihr das Blut in den Adern gefrieren lässt, denn Tote säumen seinen Weg. Spätestens als sie das zwölfte Geschenk auspackt, weiß sie, dass sie diese Wohnung nicht mehr lebend verlassen wird.
Als die ehrgeizige Polizistin Kim mit dem Vermisstenfall Jessica Gold betraut wird, steckt sie mitten in den Vorbereitungen für das Weihnachtsfest. Da ihre Familie ohnehin unter ihren hohen Karriereambitionen leidet, hat ihr Mann nur wenig Verständnis dafür, dass die beiden gemeinsamen Kinder wieder hintenanstehen müssen, damit Kim sich wie besessen in ihre Arbeit stürzen kann. Da sie aber immer mehr den Eindruck gewinnt, dass an diesem Fall etwas nicht stimmt, ist sie sicher, nun vor dem großen Durchbruch ihrer Karriere zu stehen.

Meine persönliche Meinung:

Ich war sehr neugierig auf das Thrillerdebüt von Tammy Cohen, denn der Klappentext tönte sehr vielversprechend. Ich wurde nicht enttäuscht, denn Während du stirbst hat mich von der ersten Seite an vollkommen gefesselt und in seinen Bann gezogen. Große Literatur oder ein poetisches Meisterwerk ist das Buch freilich nicht, aber das habe ich auch nicht erwartet, denn ich wollte einfach nur gut und spannend unterhalten werden.
Der Schreibstil ist recht einfach, schnörkellos und lässt sich flüssig und schnell lesen.
Die Ereignisse werden aus zwei unterschiedlichen Erzählperspektiven erzählt, die in verschiedenen Schriftarten gedruckt sind. Was Jessica Gold widerfährt, welche Qualen sie durchleidet, während der psychopathische Dominic sie in seiner Wohnung gefangen hält, wird aus der Ich-Perspektive von Jessica berichtet, was den Leser all ihre Ängste und Schmerzen unmittelbar miterleben und ihn auch keinen Augenblick an der Zuverlässigkeit ihrer Worte zweifeln lässt. Die Ermittlungsarbeit dagegen wird aus der personalen Erzählperspektive von Kim geschildert. Allerdings haben mich hierbei die detaillierten Einblicke in die Familienangelegenheiten und Ehestreitigkeiten der Polizistin sehr gestört. Ihr ewiges Gejammer, Familie und Karriere nicht unter einen Hut bringen zu können, ihr schlechtes Gewissen gegenüber ihren Kindern und ihre gleichzeitige Versessenheit, unbedingt zum Detective Sergeant befördert werden zu wollen, gingen mir extrem auf die Nerven. Für den Handlungsverlauf hätte es durchaus genügt, diese Nebensächlichkeiten einmal zu erwähnen, statt sie in jedem Kapitel penetrant in den Fokus zu rücken. Ich war manchmal wirklich versucht, die Einschübe, die aus Kims Perspektive erzählt werden, einfach zu überblättern, weil diese familiären Probleme den Spannungsbogen störten und außerdem nahezu unnötig waren. Sie haben auch nicht dazu beigetragen, dass mir diese Protagonistin sympathisch geworden wäre.
Auch die Hauptprotagonistin Jessica wollte mir nicht so recht ans Herz wachsen, weil ihre Verhaltensweisen für mich oft sehr schwer nachvollziehbar waren. Allein die Tatsache, an Heiligabend einen Wildfremden in seine Wohnung zu begleiten, um sich mit ihm zu unterhalten, während zuhause der Partner und die halbe Familie auf einen warten, scheint mir recht unvorsichtig und abwegig zu sein. Dennoch leidet man mit Jessica mit und hofft und bangt, dass sie ihrem Entführer, dessen physische und psychische Foltermethoden immer brutaler werden, entkommen kann.
Die Spannung steigert sich von Seite zu Seite, bis es in der Mitte des Buches zu einer Wendung kommt, mit der ich niemals gerechnet hätte. Die Autorin spielt sehr geschickt mit den Erwartungen des Lesers, täuscht ihn immer wieder und baut auch ganz am Ende, wenn man sicher ist, nun alles durchschaut zu haben, noch eine Wendung ein.
Ich bin wirklich begeistert von Tammy Cohens Während du stirbst, denn es ist ein solider und überaus spannender Psychothriller mit einem raffinierten Plot und einer psychologisch ausgefeilten Geschichte, die mit wenig Blutvergießen auskommt. Ein fesselndes Debüt voller Nervenkitzel!