Rezension

Spannung ganz nach meinem Geschmack!

Todestrieb - Nora Schwarz

Todestrieb
von Nora Schwarz

Bewertet mit 4 Sternen

"Todestrieb" beginnt nicht mitten in der Handlung sondern mit einem Rückblick in die Kindheit eines Mädchens, das von seinem Vater mit unmöglichen Erziehungsmethoden bestraft wird. Gleich zu Beginn erleben wir mit ihr eine Szene, die schnell klar werden lässt, dass in dieser Familie sehr viel falsch läuft. 

Nach dieser ersten Rückblende befinden wir uns in der Gegenwart und lernen die Ermittlerin Hanna Mantolf und den Ermittler Tom Krohne kennen, die sich mit einem neuen Fall konfrontiert sehen, der sie in so einige Abgründe der menschlichen Seele führen wird. 
Sven Borke, ein umstrittener und viel kritisierter Fotograf, wird tot und übel zugerichtet gefunden. Doch je mehr Hanna und Tom in die Ermittlungen einsteigen desto deutlicher wird, dass so ziemlich jeder der Mörder sein könnte.

Sven Borkes Foto-Kunst kreiste nur um ein Thema: Nackte Frauen zu Tode zu verängstigen und diesen Moment der realen Todesangst fotografisch festzuhalten. Denn Borke ist sich sicher, dass man diese Panik nicht spielen kann und so tut er alles um das perfekte Foto zu bekommen.

Als dann auch noch sadomasochistische Neigungen und der Selbstmord eines seiner Models ans Tageslicht kommen, verwickeln sich die Ermittler in immer tiefere moralische Abgründe und die Suche nach dem Mörder erscheint mit jeder neuen Spur unmöglicher.

Dieses Buch ist kein Krimi, wie ich sie sonst bisher gelesen habe denn dieses Buch spielt sehr gekonnt mit Klischees, ohne sie unbedingt zu bestätigen. Die ganze Handlung ist gewoben um das zutriefst destruktive Verhalten Sven Borkes' und überrascht mit einigen Wendungen, die für mich nicht zu erwarten waren. Besonders wenn es um SM-Machtspiele geht werden hier zwar oft Klischees bedient, die dem Leser unweigerlich in den Sinn kommen, es wird aber auch eine andere Seite dieser Szene aufgezeigt und das macht das Ganze nicht abgedroschen sondern authentisch.

 So funktionierte die Etikettier-Maschinerie von Gesellschaft und Medien. es war so erschreckend leicht, einen perversen Mörder in die Ungeheuer-Ecke zu stellen. Mit dem Entzug der Menschlichkeit vergewisserte man sich,d ass man selbst weit davon entfernt war, etwas Unmenschliches zu tun. - Seite 60

Die Spannung steigerte sich im Verlauf des Buchs und ich tappte im Dunklen was den Mörder angeht. Es werden einige falsche Fährten gelegt und dennoch ist die Auflösung des Ganzen in meinen Augen plausibel und gut konstruiert.

"Wir waren nie einem schlecht gebautem Boot ausgeliefert. Sondern dem Ozean." - Seite 3

"Weißt du, bei der Scham ist man nie sicher, ob sie einem selbst gehört. Oder ob man sie von jemand anderem übernommen hat. Wenn sich ein anderer an deiner Stelle so sehr für dich schämt, dann ist es wie ein Virus, der überspringt." - Seite 487

Die Rückblenden in eine kaputte Familienvergangenheit, die eine junge Frau komplett zerstört hat, fand ich sehr passend und erschreckend. Nach und nach lernt man eine Frau besser kennen, deren Identität sehr lange verdeckt bleibt. Mein Verdacht, um wen es sich hierbei handeln könnte, wurde dabei nicht bestätigt und ich habe erst sehr spät durchschaut, um wen es sich hierbei handelt.

"Familie?", erwiederte sie höflich. "Sie meinen diese Gemeinschaft von blutsverwandten oder sich liebenden Wesen, die alles daran setzen, dass die nächste Generation zu lebensfähigen, gesunden Menschen heranwächst?" - Seite 379

Die wichtigsten Charaktere sind sehr fein herausgearbeitet und ich finde es sehr gut, dass man über alle Hintergründe viel erfährt. Es blieben mir keine offenen Fragen und ich fand alle Charaktere sehr schlüssig und in sich stimmig. Hierbei liegt vor allem der Fokus auf Hanna Mantolf und ihre dunkle Vergangenheit, die Parallelen zur aktuellen Ermittlung aufweist. Aber auch Tom Krohnes Persönlichkeit wurde für mich sehr glaubhaft gezeichnet.

Irgendeine böse Stimme sagte ihm, dass sie auf einem Gräberfeld Schnitzeljagd spielten. - Seite 100

Was ist das für ein Leben, sich ständig zu kontrollieren und einen Deckel über die innere Giftküche zu halten, die brodelt und brodelt? - Seite 337
 
Das Thema hinter "Todestrieb" fand ich insgesamt sehr gut umgesetzt und ich habe bisher nichts vergleichbares gelesen. Der einzige Wehrmutstropfen war für mich, dass einige wenige Passagen, wo Hintergründe erklärt wurden, scheinbar eins zu eins aus Wikipedia oder einem ähnlichen Lexikon kopiert wurden. Das fiel mir in meiner kurzen Recherche direkt auf und sowas sollte in meinen Augen eigentlich vermieden werden. Ich bin zuerst davon ausgegangen, dass das eventuell durch die Übersetzung kommen könnte, die Autorin ist jedoch aus Deutschland, weswegen ich für diesen Kritikpunkt einen Stern in meiner Wertung abziehe.

Das Buch hat mich aber wirklich positiv überrascht und deswegen ist es nur fair 4 von 5 Sternen zu vergeben. Ist aber mit Sicherheit nicht jedermanns Geschmack!