Rezension

Spannung stellt sich leider erst ziemlich spät ein

Der Beobachter - Charlotte Link

Der Beobachter
von Charlotte Link

Bewertet mit 4 Sternen

Samson hat in seinem Leben noch nicht viel erreicht. Der schüchterne Mann lebt gemeinsam mit seinem Bruder und seiner Schwägerin in einem Haus und ist momentan mal wieder ohne Arbeit. Der Schwägerin ist er schon lange ein Dorn im Auge, denn sein Verhalten kommt ihr äußerst merkwürdig vor. Statt Bewerbungen zu schreiben, streift Samson lieber in der Gegend umher und geht seiner großen Leidenschaft nach. Er beobachtet Frauen. Besonders angetan hat es ihm die schöne Gillian. Sie führt in seinen Augen das perfekte Leben, denn sie hat einen gutaussehenden Ehemann und eine liebenswerte Tochter. Bei seinen Beobachtungen fällt Samson allerdings auf, dass Gillians scheinbar perfektes Leben nur eine Illusion ist. Entsetzt stellt er fest, dass in ihrem Leben nichts so ist, wie es auf den ersten Blick erscheint.

Zur gleichen Zeit wird in London die Leiche einer alleinstehenden Frau gefunden, die auf eine äußerst hinterhältige Art umgebracht wurde. Die Tochter der Verstorbenen gibt an, dass ihre Mutter in letzter Zeit das Gefühl hatte beobachtet zu werden und sich deshalb bedroht fühlte. Doch wer könnte ein Interesse daran haben, die unscheinbare Frau auf so rachsüchtige Art zu töten? Schon bald schlägt der Täter erneut zu. Wieder ist eine alleinstehende Frau sein Opfer. Die Polizei fahndet nun fieberhaft nach einem Mann, der Frauen hasst....

Meine Meinung

In Charlotte Links Roman wird man als Leser selbst zum Beobachter, denn das Geschehen wird in der Erzählperspektive geschildert und aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Die Erzählung ist Abschnitte unterteilt, die mit dem Datum des jeweiligen Handlungstags gekennzeichnet sind. So bekommt man einen guten Überblick in welchem Zeitrahmen sich die Handlung zuträgt.

Charlotte Link führt in ihrer Erzählung einige unterschiedliche Charaktere ein. Dadurch fällt es, gerade am Anfang, nicht ganz leicht den Überblick zu behalten und die Personen richtig einzuordnen. Die Protagonisten wirken allerdings sehr lebendig und ihre Handlungen meist nachvollziehbar. Dadurch, dass die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Handlungssträngen zunächst nicht klar sind, ist das Interesse an diesem Roman von Anfang an geweckt. Denn man möchte gerne erfahren, wie die verschiedenen Erzählstränge wohl miteinander in Verbindung stehen. Die Handlung ist durchgehend interessant, obwohl sich die Spannung in dieser Erzählung erst recht spät einstellt. Man langweilt sich zwar keinen Moment, doch echtes Gänsehautfeeling, durch spannende Szenen, sucht man im ersten Drittel des Romans leider vergeblich. Die Handlung tritt, genau wie die Ermittlungen der Polizei, auf der Stelle und plätschert eher gemächlich vor sich hin. Dafür wird man allerdings mit detailliert beschriebenen Charakteren und Handlungsorten entschädigt. Man kann sich die beschriebenen Situationen gut vorstellen und ist sich stets der winterlichen Hintergrundkulisse dieses Romans bewusst. Denn Charlotte Link gelingt es hervorragend diese in die Erzählung einzuflechten.

Die Handlung nimmt im weiteren Verlauf deutlich an Fahrt auf. Man stellt selbst wilde Spekulationen an und folgt dabei bereitwillig den Fährten der Autorin. Dabei stellt man allerdings bald fest, dass nichts so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Es kommt zu überraschenden Wendungen. Die Identität des Mörders ist verblüffend und kaum vorhersehbar.

Insgesamt gesehen habe ich mich beim Lesen gut unterhalten, obwohl ich zugeben muss, dass ich bereits deutlich spannendere Romane der Autorin gelesen habe. Ich vergebe vier von fünf möglichen Sternen, da mich die unterschiedlichen Charaktere, der flüssige Schreibstil und die überraschende Identität des Mörders überzeugen konnten. Den einen ziehe ich für die Längen und die, meiner Meinung nach, zu geringe Spannung ab.