Rezension

Spannung und Sympathie lassen auf sich warten.

Dein Leben gegen meins - Liv Constantine

Dein Leben gegen meins
von Liv Constantine

Meinung:

 

Wahnsinn. Ich kann es nicht oft genug betonen, aber ich habe noch nie ein Buch mit einer so dermaßen unsympathischen Protagonistin gelesen.

Amber Patterson, aus deren Sicht der erste Teil dieses „Thrillers“ geschrieben ist mir von der ersten Seite an sauer aufgestoßen. 

Ich kann hier leider kein Blatt vor den Mund nehmen und muss sagen:

Sie ist hinterlistig, heimtückisch, hinterhältig, manipulativ, egoistisch, eingebildet und arrogant - kurzum, ein richtiger Sonnenschein. Nicht!

Ich konnte mich keine Sekunde mit ihr identifizieren und dementsprechend auch nicht fühlen was sie fühlte. Nur Mitleid hatte ich übrig.

Sowas verspüre ich beim Lesen wirklich selten, aber ich habe sie gehasst ohne Ende. Ich wollte ihr fast nach jeder Seite regelmäßig den Hals umdrehen.

 

Später gibts noch mehr zu den emotionalen Ausbrüchen, die nicht nur die eine Protagonistin in mir ausgelöst hat.

Grundsätzlich dreht sich der erste Teil der Geschichte um Amber, die sich in das Leben der schönen, reichen, wohltätigen und kultivierten Daphne Parrish einschleicht, mit nur einem Ziel: ihr Leben zu leben.

Natürlich braucht das Zeit. Und natürlich hätte es nicht authentisch gewirkt, wenn man den Prozess des Vertrauenserschleichen radikaler abgehandelt hätte. Nichtsdestotrotz bringt es mir als Leser nicht viel, einen Thriller zu lesen, bei dem ich Spannung erwarte und die fängt erst ab Seite 250 an. 

 

Da ich neuerdings immer gern Bildbeispiele zu Rate ziehe, um zu verdeutlichen, wie ich mich beim Lesen gefühlt habe, stellt euch folgendes vor:

Ihr sitzt in New York hinter der Scheibe eines Ladens als Schaufensterpuppe. Das blühende Leben zieht an euch vorbei und ihr beobachtet nur, seid nicht mittendrin. Denkt euch euren Teil und könnt nicht mitgerissen werden, weil da ja Glas dazwischen ist. Und je länger man die Szenerie mitbekommt, desto schneller fängt man an sich zu langweilen und - ja, ernsthaft - nachzudenken.

Ein guter Thriller muss mich packen und fesselnd, sodass ich gar keine Zeit habe, mir wilde Theorien auszudenken und solche Hassgefühle für einen Charakter zu entwickeln. Zumal eine meiner Theorien der Auflösung am Ende schon sehr nahe kam. Es hat mich zumindest nicht überrascht in welche Richtung das Buch ging.

 

Der Schreibstil des Autorenduos ist gut, gekonnt, bildhaft und ab und an auch atmosphärisch, gar keine Frage. Sobald die Spannung dann auch endlich mal greifbar war, ging es rasant dem Ende zu.

Zwischen dem ganzen Freundschaftsgeplänkel von Daphne und Amber, dem Gezicke von Bella und Tallulah, Daphs Kindern, und der perfekten Ehe, die sie mit Jackson in der Öffentlichkeit zeigt, habe ich mich mehr oder weniger gelangweilt und nur aufgeregt. Ich wollte nichts über Ambers dummen Plan wissen und habe nicht verstanden, wie man so naiv sein kann auf sie hereinzufallen, aber nun gut.

 

Richtig interessant wurde erst, als Daphnes Teil der Geschichte begann.

Es wird erzählt, wie sie Jackson kennenlernte, wie er ihrem Vater einem Gefallen tat, wie er sich für die Pension engagierte und das, obwohl sie gar nicht sein Beuteschema sein konnte.

Schwupsdiwups war eine neue Hassperson geboren. Ob Jackson oder Daphne oder ihre Hausdienerinnen oder gar eine ihrer Töchter, das müsst ihr selbst herausfinden.

Mehr kann ich euch dazu aber auch nicht sagen, sonst würde ich spoilern.

Allgemein gesehen würde ich jedoch sagen, dass der „groß angekündigte, mega überraschende“ Plottwist, echt genial war und ich auch ziemlich mitgefiebert habe, allerdings obwohl ich ahnte, worauf es hinausläuft.

 

Es sind die Kleinigkeiten, die im Leben wichtig sind.

Darauf muss man immer achten. Schildkröten spielen eine Rolle in der Geschichte. Ernährungspläne und Stalkingfähigkeiten.

Und Familienzusammenhalt, wenn auch auf eine andere Art, wie man vermutlich denkt. Die Macht des Geldes ist unergründlich.

 

Fazit:

 

Noch nie im meiner ganzen Leselaufbahn habe ich Charaktere so gehasst. 

Es gibt in dem ganzen Buch nur einen einzigen Charakter, an dem ich nichts zu nörgeln gehabt hätte. Und das ist schon richtig hardcore.

Die Story kann man in zwei Teilen stilisieren; Teil 1: kitschig, heuchlerische Soap, Teil 2: Die andere Seite der Medaille. 

 

Hätte ich die Spannung, die mich den zweiten Part hat in einem Rutsch lesen lassen, nicht mehr gefunden, wäre die Bewertung deutlich schlechter ausgefallen. So kann ich diesen „Thriller“, der mehr ein Psychospielchen zwischen Kontrollfreaks ist, immerhin als Zwischendurchlektüre empfehlen.

Aber auch nur, wenn ihr Durchhaltevermögen habt.

 

Bewertung:

 

3/5 Sterne