Spannungsroman mit Strandlage
Bewertet mit 4 Sternen
Bea versucht einen Neuanfang. Doch bei einem Überfall in Marrakesch kommen ihr Geld und Papiere abhanden. In einem Surfhotel, gelegen an den endlosen marokkanischen Stränden, findet sie Zuflucht. Aber die scheinbare Ruhe trügt. Bald erkennt sie, dass düstere Geheimnisse in der Idylle auf sie warten.
Lucy Clarke gehört für mich zu den Autor:innen, deren Thriller ich immer wieder gerne zwischendurch lese oder höre. Für mich ist es keine Hochspannungsliteratur, bei der ich mich vor Nervenkitzel nicht atmen traue, aber die Autorin bietet solide Spannung mit psychologischen Einschlag und führt an interessante Schauplätze. Damit ist „The Surf House“ genau das Richtige, wenn man sich ein bisschen Urlaubsflair gepaart mit leichtem Thrill wünscht.
Protagonistin Bea stolpert zu Beginn geradezu aus ihrer glitzernden Modewelt in die raue Realität. Es ist ein abrupter Bruch, der sie in Marrakesch direkt in eine gefährliche Situation führt. Ohne Geld, ohne Ausweis, dafür mit einer Portion Glück, landet sie schließlich im titelgebenden Surf House, eine Art Aussteigerhotel an einem Surferstrand.
Sie ist keine Heldin, die alles im Griff hat. Genau das hat sie für mich greifbar gemacht. Gefragt habe ich mich, wie unüberlegt man sein kann, dass man als vielgebuchtes Model kaum einen Cent zur Verfügung hat. Auch Beas ständiges Hadern mit den Schattenseiten der Branche wirkte stellenweise etwas wehleidig auf mich. Dennoch fand ich es gelungen, dass Lucy Clarke einen kritischen Blick auf den Modelberuf wirft, der eben nicht nur aus Glanz und Glamour besteht.
Im Kern ist Bea eine sympathische junge Frau. Sie ist bereit Verantwortung zu übernehmen, sich durchzubeißen und sich selbst neu zu erfinden. Ihre Naivität macht sie angreifbar, aber auch menschlich.
Das Surf House selbst ist ein atmosphärischer Schauplatz, der die Stimmung des Romans entscheidend gestaltet. Es ist eingebettet in eine von goldenen Stränden und roten Klippen geprägte Küstenlandschaft und vermittelt pures Urlaubsfeeling. Es gibt entspannte Abende am Lagerfeuer, surfen in der Morgensonne und lockere Gespräche unter Gleichgesinnten.
Dieses unbeschwerte Ambiente hat mir gut gefallen. Man spürt praktisch die Meeresbrise, das Salz auf der Haut und die Wärme der Sonnenstrahlen. Die marokkanischen Besonderheiten bleiben allerdings im Hintergrund, weil sich der Rahmen auf die Strandlage fokussiert. Die Beschreibungen sorgten jedenfalls für eine angenehme Grundstimmung, die zunehmend von Irritationen durchbrochen wird.
Der Wechsel zwischen Gelassenheit und Unruhe verleiht dem Roman eine feine Dynamik. Das Surf House wirkt wie eine kleine, in sich geschlossene Welt, deren sorglosen Schein man zu hinterfragen beginnt.
Es gibt ein Rätsel um eine verschwundene Urlauberin, das nach und nach an Bedeutung gewinnt. Bea stößt auf kleinere Ungereimtheiten und hört Gerüchte. Es bleibt lange offen, ob überhaupt etwas geschehen ist.
Das Erzähltempo empfand ich als gut austariert. Man lernt die Umgebung und die Figuren kennen, während sich nach und nach Irritationen einschleichen, die man als versierte:r Thriller-Leser:in sofort im Auge behält. Das sorgt nicht für Gänsehaut, aber für ein angenehmes Miträtseln, das von der Strandnähe unterstrichen wird.
Meiner Meinung nach liefert Lucy Clarke mit „The Surf House“ einen gut zu lesenden Urlaubsthriller, der mehr durch Atmosphäre und Rätselhaftigkeit als durch klassische Spannung überzeugt. Marokko verkommt zwar eher zum Bühnenbild, dennoch wurde mit dem Hotel ein interessanter Schauplatz gewählt. Man fühlt sich schnell eingebettet in eine entspannte Welt, die trotz herrlichen Sonnenscheins mit kalten Nächten zu ringen hat.
Für mich war es eine unterhaltsame Geschichte mit einer bewährten, wenn auch nicht übermäßig findigen, Handlung. Die Spannung ist dezent, dennoch bleibt man aufgrund vieler kleiner Fragen dran. Wer Lucy Clarkes Bücher kennt, bekommt genau das, was man sich von ihr erwartet. Es ist solide Thrillerkost mit Urlaubsflair.