Rezension

Sperrig aber auch genial

Milchmann - Anna Burns

Milchmann
von Anna Burns

Mein Mann sagte direkt: Man Booker Prize Gewinner? Na viel Spaß, da habe ich schon mehrere Bücher abgebrochen.

Auch Milchmann ist kein richtiger Pageturner. Recht sperrig zu lesen. Die Icherzählerin ist Meisterin in der Abschweifung, kommt manchmal erst viele Seiten später auf den Punkt zurück.

Trotzdem ist das Buch auch irgendwie genial. Es kommt ohne Namen aus. Alle werden nur nach Funktion, Beruf, Familienzugehörigkeit oder Besonderheit benannt. Ein paar Beispiele: echter Milchmann, kleine Schwestern, Schwager 1, Vielleicht-Freund... Etwas strange, klappt aber irgendwie ganz gut. Ehrlichgesagt konnte ich das so besser einordnen als mit „richtigen“ Namen, da ich mir diese oft schlecht merken kann.

Die beschriebenen gesellschaftlichen Verhältnisse lassen erst auf eine Dystopie schließen. Wie seltsam ist es denn, mit Menschen verfeindet zu sein, nur weil sie auf der anderen Straßenseite wohnen oder in eine andere Kirche im Ort gehen? Doch bald wird klar: wir blicken nicht in eine dystopische Zukunft, sondern in die Vergangenheit. Ende der 1970iger Jahre in Belfast. Obwohl der Name der Stadt auch nicht genannt wird. Auch die verschiedenen Parteien werden nicht nach den bekannten Bezeichnungen benannt, was des ganzen Konfliktes noch absurder werden lässt.

Doch das Buch ist nicht nur eine Beschreibung der Troubles, sondern auch eine Coming-of Age-geschichte einer jungen 18 jährigen Frau, die versucht trotz der entsetzlichen Verhältnisse ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Sie gerät in Gefahr als sich Milchmann für sie zu interessieren beginnt. Sofort wird alles durch Klatsch aufgebauscht, sie hat immer versucht unauffällig, unter dem Radar zu bleiben. Plötzlich steht sie im Mittelpunkt und kommt da nicht mehr raus.  

Nicht einfach zu lesen, doch die Mühe hat sich aus meiner Sicht gelohnt!