Rezension

Spieglein, Spieglein

Die geheime Sammlung - Polly Shulman

Die geheime Sammlung
von Polly Shulman

Bewertet mit 4 Sternen

Bevor ich mich genauer zum Inhalt des Buches äußere, muss ich zunächst einfach ein paar Worte über dessen Gestaltung verlieren. Denn diese fällt sofort ins Auge und ist einfach klasse. Der Schutzumschlag ist mit einer erhabenen Schrift versehen, die Autor und Titel angibt und über die man schön streicheln kann. Um diese Schrift herum findet sich ein Rahmen, eine Art Scherenschnitt oder Schattenspiel, der ebenfalls reliefartig hervorgehoben wurde. Zudem sind die Ecken und Kanten schwarz verfärbt, als ob jemand versucht hätte, das Buch anzuzünden, dies aber noch rechtzeitig verhindert werden konnte und so allein der Rand etwas angesengt ist. Es macht einfach was her, dieses Buch!

"Die geheime Sammlung" umfasst 345 Seiten und gliedert sich in 27 Kapitel. Die Kapitel sind in Abschnitte untergliedert, so dass sich während des Lesens bequem Pausen einlegen lassen, ohne unbedingt das jeweilige Kapitel zu Ende lesen zu müssen. Überschrieben sind die Kapitel jeweils mit ihrer Kapitelnummer sowie einem besonderen Titel, der bereits etwas vom Inhalt des Kapitels erahnen lässt. Alle Kapitel und ihre Titel finden sich in einem Inhaltsverzeichnis am Anfang des Buches wieder.

Am Ende des Buches findet sich eine Danksagung der Autorin.

Geschrieben ist das Buch aus der Sicht der fünfzehnjährigen Ich-Erzählerin Elizabeth, die zugleich der weibliche Hauptcharakter des Buches ist.

Handlungsort ist Manhattan, ein Stadtteil von New York.

Elizabeth ist ein typischer Teenager. Sie hat Probleme damit, in ihrer neuen Schule Anschluss zu finden, ist in einen Jungen verknallt, der ihr kaum Beachtung schenkt und zudem hat sie Probleme mit ihrer Stiefmutter. Insgesamt erinnert ihr Leben ein wenig an das von Aschenputtel und so findet sich hier bereits der erste Bezug zu den Grimm-Märchen.

Doch alles soll sich ändern, als Elizabeth unerwartet einen Job als Page im New Yorker Repositorium der verleihbaren Schätze angeboten bekommt. Es handelt sich hierbei um eine Art Bibliothek, in der jedoch weniger Bücher, sondern hauptsächlich besondere, historische, alltägliche oder sogar auch magische Dinge verliehen werden. Elizabeths Aufgabe ist es zunächst, die verschiedensten Bestellungen der Kunden zu bearbeiten. Dabei muss sie die angeforderten Gegenstände aus dem Katalog aussuchen, sie anschließend aber auch wieder in den Bestand einsortieren.

Während ihrer Arbeit lernt Elizabeth auch andere Angestellte des Repositoriums kennen. Und wie es der Zufall will, arbeitet sogar ihr Schwarm Marc im Repositorium. Bereits nach kurzer Zeit bekommt Elizabeth zu hören, dass mysteriöse Dinge im Repositorium passieren: So ist zum Beispiel ein Page verschwunden, Gegenstände aus den Sammlungen sind nicht wieder aufgetaucht und man munkelt von einem riesigen Vogel, der Gegenstände stiehlt.

Als Elizabeth nach einigen Bewährungsproben den Schlüssel zum Grimm-Sammelsurium überreicht bekommt, gewinnen die Gerüchte über verschwundene Gegenstände an Bedeutung, denn auch Elizabeth wird nach kurzer Zeit mit diesem Problem konfrontiert. Doch schnell stellt sie fest, dass die Gegenstände nicht nur verschwinden, sondern sogar ihre Magie verlieren. Sie und ihre neu gewonnenen Freunde setzen alles daran, diesem Problem ein Ende zu setzen. Doch das gestaltet sich schwieriger als erwartet.

Meine Meinung zum Buch:
* * * * * * * * * * * * * * *
Da ich mir als Kind immer gerne Märchen habe vorlesen lassen und sie später auch gerne selbst gelesen habe, war ich sehr neugierig auf dieses Buch. Und es hat mir großen Spaß gemacht zu verfolgen, wie die Autorin mithilfe der Grimm-Märchen eine neue und eigenständige Geschichte erzählt.

Besonders hat mich dabei diese magische Aura fasziniert, von der das Buch umgeben zu sein scheint. Für Elizabeth und somit auch für den Leser erscheint vieles undurchsichtig. Die Charaktere verhalten sich oft merkwürdig, es ist schwierig, zwischen "Gut" und "Böse" zu unterscheiden und dadurch gewinnt die Geschichte an Reiz und man muss einfach weiterlesen, um mehr zu erfahren und um alles zu verstehen.

Besonders gut ist es der Autorin gelungen, dass zunächst kompliziert klingende System des Repositoriums ganz verständlich und einfach zu erklären. Auch jüngere Leser sollten so die Bedeutung des Repositoriums und dessen interne Abläufe verstehen können. Auch die Bedeutung des Grimm-Sammelsuriums wird dem Leser unkompliziert nahegebracht: So sind die Märchen der Gebrüder Grimm nicht allein Sagen oder Legenden entsprungen, sondern Jacob und Wilhelm Grimm haben sich von realen magischen Gegenständen inspirieren lassen. Und genau diese Gegenstände sind im Grimm-Sammelsurium aufbewahrt. Dieser Bereich ist jedoch nur für ausgewählte Mitarbeiter des Repositoriums zugänglich, denn natürlich sind magische Gegenstände sehr begehrt.

Die Charaktere des Romans sind sehr liebevoll gezeichnet. Sie haben alle besondere Eigenheiten, die sie liebenswert machen. Nicht jeder der Charaktere ist sympathisch, wodurch das Buch an Authentizität gewinnt. Zudem lässt sich bei einigen Personen nicht sagen, auf welcher Seite sie stehen, sie sind sehr undurchsichtig und es fällt schwer, sie richtig einzuschätzen. Das hat mir sehr gut gefallen, denn so finden sich doch einige interessante Wendungen im Verlauf der Geschichte und einige Charaktere verhalten sich oft anders, als man es von ihnen erwartet hätte.

Schön fand ich, wie die Autorin die verschiedensten Grimm-Märchen in die Geschichte eingebaut hat. Wie bereits erwähnt, erinnert das Schicksal Elizabeths ein wenig an das von Aschenputtel. Darüber hinaus tauchen zertanzte Schuhe, ein Knüppel aus dem Sack, Sieben-Meilen-Stiefel oder ein Tischlein-deck-dich auf. Diese Szenen machen das Buch zu etwas Besonderem, denn sie lassen die oft schnell in Vergessenheit geratenen Märchen wieder aufleben. Doch sehr interessant verdeutlicht die Azutorin auch, dass Magie etwas Gefährliches sein kann, dass sich Wünsche ins Gegenteil verkehren können und dass man vorsichtig mit Macht und Magie umgehen muss. So enthält das Buch kleine Lehren, die allerdings spielerich dargestellt werden und völlig ohne erhobenen Zeigefinger auskommen.

Der Stil der Autorin ist sehr bildreich und flüssig zu lesen. Sie nimmt ihren Leser gefangen und lässt ihn problemlos der Geschichte folgen. Das Buch ließ sich so innerhalb kürzester Zeit weglesen und ich hätte mir doch gewünscht, noch mehr Zeit im mysteriösen Repositorium verbringen zu dürfen. Insgesamt wird dem Leser die Geschichte Elizabeths sehr liebevoll erzählt und man merkt, dass die Autorin viel Spaß beim Schreiben gehabt haben muss.

Einen Kritikpunkt habe ich am Ende jedoch noch: Teilweise schien für mich der Schwerpunkt des Buches falsch gesetzt. Denn oft widmet sich die Autorin meiner Meinung nach zu sehr den Problemen eines Teenagers, wodurch für mich einige Längen entstanden. Zu oft wird für mich thematisiert, welcher Junge letztlich welches Mädchen liebt, wer mit wem zum nächsten Basketballspiel geht oder wer eifersüchtig auf jemand anderen ist. Sicherlich macht dies aus dem Buch eine runde und vollkommene Geschichte, denn die Protagonisten sind eben alle Teenager, aber mir persönlich wurden diese Szenen einfach zu oft wiederholt.

Mein Fazit:
* * * * * * *
Ein magisches Buch für Leser jeder Altersklasse, das gefangen nimmt und erst wieder loslässt, wenn die letzte Seite umgeblättert wurde.