Rezension

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Spoiler!! ~ Rezension zu Band 1 - 5 ~ Spoiler!!

Das Lied des Paradiesvogels 1 - Rebecca Maly

Das Lied des Paradiesvogels 1
von Rebecca Maly

Bewertet mit 5 Sternen

Deutsches Protektorat Papua-Neuguinea

Die 17jährigen Zwillinge Dorothea und Daniel Klawitt wissen eigentlich sehr genau was sie wollen – Daniel möchte Bilder malen, Dorothea hingegen hat ihr Herz an die Fotografie verloren. Leider leben die Beiden in einer Zeit, in der sich niemand dafür interessiert, was junge Leute möchten, weswegen ihr Lebensweg schon klar vorgegeben ist. Selbstverständlich übernimmt Daniel das Fotostudio seines Vaters und Dorothea wird schnell und gut verheiratet und Kinder in die Welt setzen – so der Plan des Vaters.

Der Markt für Andenkendrucke, Postkarten und Portraits wächst rasant aber kaum jemand möchte Portraits von Persönlichkeiten oder den eigenen Verwandten kaufen, es lockt der Reiz des Unbekannten – die Menschen wollen Portraits von Wilden; von kriegerischen Indianern, Eskimos und perlenbehangenen Südseekönigen. Aufgrund von Krankheit kann Vater Klawitt die geplante Foto-Expedition nach Papua-Neuguinea nicht antreten, weswegen er bestimmt, dass Daniel seinen Platz einnimmt. Für die Zwillinge, die noch niemals voneinander getrennt waren, kommt das einer Katastrophe gleich – Thea muss unbedingt mit auf diese Reise, egal unter welchen Umständen sie aufs Schiff gelangt.

Der Hamburger Reeder-Sohn Leopold Saarner hat gerade auf dramatische Art und Weise seine Mutter verloren und nun sucht er nach einer Möglichkeit, um sich abzulenken. Was würde sich da besser anbieten, als auf einem Schiff des Vaters nach Papua-Neuguinea zu reisen um dort mit den Besitzern der Kokosnuss-Plantagen neue Verträge auszuhandeln? Sein Vater lässt ihn nur unter einer Bedingung reisen – Leopold soll das uneheliche Kind seines Vaters suchen und mit zurück nach Hamburg bringen.

Im deutschen Protektorat auf Papua-Neuguinea lebt Adam/Baptiste, der auf der Suche nach seinen Wurzeln ist. Auf der einen Seite lebt er bei einer deutschen Familie und wird christlich erzogen, auf der anderen Seite zieht es ihn immer wieder zu seiner eingeborenen Mutter, seinem Stamm und den dazugehörigen Riten.

Rebecca Maly nimmt ihre Leser dieses Mal mit nach Polynesien, einer Inselregion im Pazifischen Ozean, genauer; ins deutsche Protektorat nach Papua-Neuguinea. Dort wird auf Kokosnuss-Plantagen das teure Kopra – getrocknetes Kokosnussfleisch – gewonnen und nach Deutschland geschifft.

Die Geschichte spielt im Jahr 1860 und so erklärt sich auch, warum Thea sich nicht ihrer Leidenschaft Fotografie und Daniel sich nicht der Malerei widmen darf. Durch ihre enge Verbundenheit schaffen sie es, ihr Geheimnis lange vor dem Vater verborgen zu halten – aber nichts währt ewig.

Die Autorin beschreibt die Zustände der damaligen Zeit sehr gut. Sowohl die Sprache als auch das Verhalten der Protagonisten ist für mich stimmig. Immer wieder entsetzt es mich in historischen Romanen, wie die Weißen mit den eingeborenen „Wilden“ umgegangen sind, wie sie sie als Arbeitskräfte benutzt und ausgebeutet und nicht zuletzt in „christlicher Art und Weise“ missioniert haben, um ihnen den Teufel auszutreiben, der in Wirklichkeit nichts anderes als ihre Tradition ist.

Obwohl die Geschichte aller Charaktere in engem Zusammenhang steht, ist für mich Thea die herausragende Protagonistin. Sie muss viel ertragen, alleine schon, weil sie eine Frau ist, aber sie weiß auch genau, was sie will. Sie hat Schneid und zeigt Stärke, gerade wenn sie auf sich alleine gestellt ist.

Auch wenn Daniel Theas Zwillingsbruder ist, so ist er doch ein total anderer Charakter. Ich empfinde ihn als ein wenig weich, er weiß zwar auch, was er will, aber er setzt sich meiner Meinung nach nicht so vehement dafür ein. Außerdem ist er sehr viel leichtgläubiger und somit manipulierbarer. Thea ist die Kraft, die ihn antreibt. Auch er erlebt schlimme Dinge auf seiner Reise ins Protektorat. Dinge, die ihn wahrscheinlich den Rest seines Lebens begleiten.

Leopold Saarner ist die unscheinbarste Person in dieser Geschichte. Er hat seine Rolle, hebt sich aber - für mich - nicht sonderlich hervor. Auf der einen Seite ist er neugierig auf seinen Halbbruder, auf der anderen Seite überlegt er sich, wie er es umgehen könnte, diesen ausfindig zu machen bzw. ihn mit zurück nach Hamburg zu nehmen. Hat er Angst um sein Erbe? Sein Problem löst sich dann jedoch fast von selbst.

Adam/Baptiste führt ein unfreiwilliges Doppelleben. Er lebt bei den deutschen Oudebooms, geht seinem Ziehvater bei der Verwaltung der Plantage zur Hand, besucht die Messe, geht zur Beichte und trägt westliche Kleidung. Tief in seinem Innersten ist er aber der „Wilde“, der zu seinen Ahnen betet und sich den Stammesritualen stellt um in den Kreis der Männer aufgenommen zu werden. Seine innere Zerrissenheit ist wirklich spürbar. Aber er findet seine Bestimmung und hat am Ende des Buches seinen Weg gefunden. Gemeinsam mit Thea ist er mein Lieblings-Charakter.

Alles in allem hat Rebecca Maly auch hier wieder eine sehr schöne Geschichte in die Kulisse Polynesiens gezaubert. Ich habe schon einige Bücher von Rebecca Maly, aber auch von Rebekka Pax, gelesen und ich glaube man darf auch einer Autorin sagen, dass man das Empfinden hat, dass sich ihr Schreibstil verbessert hat. Ich kann es nicht an einem bestimmten Punkt festmachen, ich finde ihren Schreibstil ja schon immer sehr gut, aber irgendwie las es sich für mich dieses Mal noch flüssiger als sonst schon.

Dass das Buch als eSerial in 5 Bänden erschienen ist stört mich nicht. Man sollte jedoch alle 5 Bände in Reihenfolge lesen, weil alles andere keinen Sinn macht. Die Geschichte ist in sich abgeschlossen.

Ich freue mich schon auf den nächsten historischen Roman von Rebecca Maly und bin gespannt in welches Land sie den Leser dann führen wird.