Rezension

Sprach- und bildgewaltig

Singe ich, tanzen die Berge -

Singe ich, tanzen die Berge
von Irene Solà

Bewertet mit 5 Sternen

„Singe ich, tanzen die Berge“ ist der zweite Roman der Autorin Irene Solà, der den Europäischen Literaturpreis 2020 erhielt und der bereits in über 21 Sprachen übersetzt wurde.

Nachdem der Bauer Domènec von einem Blitz erschlagen wird, bleibt seine junge Ehefrau Sió mit den Kindern und ihrem Schwiegervater alleine zurück. Das Leben in den Bergen ist nicht einfach, aber es muss weitergehen. Nach diesem Beginn taucht die Autorin in eine unglaublich poetische und magische Welt. Sie berichtet aus der Perspektive der Wolken, der Berge, von Pflanzen und Tieren.

Dabei ließ sie direkt Bilder vor meinem inneren Auge entstehen. Die Verbundenheit zwischen Mensch und Natur wird gelungen dargestellt, ist aber schwer zu greifen. Die Natur braucht uns Menschen nicht, eigentlich nichts Neues, wird aber hier auf eine völlig neue Art vermittelt.

Hier werden sehr viele verschiedene Themen angesprochen, u.A. durch Sió die Stellung als alleinerziehende Mutter, das ist sehr gut gemacht.

Die Beschreibungen der Natur sind grandios, sehr atmosphärisch und unheimlich toll gelungen.

"Bei manchen Menschen legt sich die Zunge quer und verdorrt ihnen im Mund, den sie dann nicht mehr aufbekommen, nicht einmal um ihren Kindern oder Enkeln etwas Nettes zu sagen, und so gehen die Familiengeschichten verloren, und alles dreht sich nur noch um das harte Brot, das du heute isst, den Regen, der heute fällt, und die Knochen, die dir heute wehtun.“ (Seite 27)

"… um zu überleben, müsse man manchmal seine Erinnerungen vergraben…" (Seite 129)

Allein diese beiden Zitate machen den intensiven und ungewöhnlichen Schreibstil deutlich.

Es ist nicht immer einfach sich innerhalb der Kapitel zurecht zu finden und ich habe einige Zeit benötigt, bis mir klar wurde, das hier alles gekonnt miteinander verbunden ist. Dieser Roman ist ein kunstvolles, außergewöhnliches Werk, das ein wenig mehr Zeit erfordert als herkömmliche Romane, aber das Lesen lohnt sich.