Rezension

Sprachexperiment, unnahbar und verwirrend

Herr Kato spielt Familie
von Milena Michiko Flasar

Bewertet mit 2 Sternen

„Herr Katō spielt Familie“ ist eine sehr melancholische und gleichzeitig verwirrende Geschichte zum Retired Husband Syndrome. Er, der all die Jahre als Ernährer und Finanzier der Familie mehr mit seinem Job verheiratet war als mit seiner Frau, hat Schwierigkeiten nach dem Eintritt in den Ruhestand, seinen Platz zu finden. Er langweilt sich, fordert aber gleichzeitig von seinem Umfeld den gewohnten Service, ist nicht bereit einfache Dinge selbst zu erledigen. Aktivitäten, die er sich für den Ruhestand vorgenommen hat, schiebt er immer wieder vor sich her.

Ich hatte Schwierigkeiten, mich in die Hauptcharaktere hinein zu versetzen. Vielleicht liegt es daran, dass die wirklichen Namen im Verborgenen geblieben sind. Man erfährt nur die Rollennamen, die die Charaktere spielen, wenn sie als Opa, Ehemann etc. vermietet worden sind. 

Herr Katō konnte mich nicht wirklich überzeugen. Einen Zugang zu ihm fand ich immer nur dann, wenn er sich mit Mie traf oder wenn er eine von Mie zugewiesene Rolle spielte. Ansonsten scheint er mir aus einer anderen Zeit zu stammen. So wie er seine Frau behandelt, sie als Dienstbotin in Anspruch nimmt und dann noch an ihr herumkritisiert. Zudem scheint ihm auch jegliche Antriebskraft zu fehlen.

Die Ehefrau ist zu bedauern und zu bewundern. Zu bedauern, weil sie mit Herrn Katō irgendwie bestraft erscheint. Bewundernswert ist, dass sie das Beste aus ihrem Leben rausholt, z. B. geht sie zum Tanzen, und dass sie seine schrulligen Eigenheiten mit viel Geduld und einer stoischen Ruhe aushalten kann.

Mie ist die Person, die mir am nächsten ist. Ihre Art, Aufträge zum Spielen einer Rolle in einer fremden Familie zu verteilen, teils durch gemeinsame Treffen, teils durch Bandansagen, hat mir gefallen. Ihre Probleme im Privatleben sind auch nachvollziehbarer. Was mir im Buch nicht klar geworden ist, ist die Frage, wer hier wen wirklich beauftragt hat. Ist Mie die Auftraggeberin für Herrn Katō oder ist eigentlich seine Ehefrau die Auftraggeberin, die Mie an Herrn Katō Aufgaben verteilen lässt? Das Ganze ist schon sehr verwirrend.

Der Schreibstil war für mich etwas anstrengend zu lesen. Es werden teilweise sehr lange Sätze oder besser gesagt Satzketten verwendet. Man muss sich konzentrieren, um den Sinn in Gänze zu erfassen und sich nicht in den Einzelaussagen zu verlieren. Zur Verdeutlichung von Aussagen werden diese mehrfach hintereinander wiederholt. Hier werden sehr kurze Sätze abgefeuert. Diese Schwankungsbreite in der Sprache verkörpert zwar sehr schön Herrn Katos innere Unbeständigkeit, was den Eindruck aus dem Gelesenen noch verstärkt. Trotzdem musste ich immer mal wieder zurückblicken, weil in meinem Kopf Bilder erzeugt wurden, die dann mit dem nächsten Halbsatz nicht mehr stimmig waren.

Insgesamt scheint mir das Buch mit der Tür ins Haus zu fallen. Es startet aus dem Nichts und verläuft sich dann einfach, als ob es keinen Anfang und kein Ende hat. Einen Übergang zwischen den langen Kapiteln fehlt mir auch. Mich hat das Buch etwas ratlos zurück gelassen.