Rezension

Sprachlich interessant - inhaltlich für mich nicht überzeugend

Unter der Drachenwand - Arno Geiger

Unter der Drachenwand
von Arno Geiger

Bewertet mit 3 Sternen

Inhaltlich gibt es in Unter der Drachenwand nicht viel Neues. Die Geschichte spielt während des zweiten Weltkrieges in Österreich. Wir lernen einen Soldaten kennen, der aufgrund einer Kriegsverletzung beurlaubt ist und sich aufs Land in die Region Mondsee zurückzieht. Dort lernt er eine junge Frau aus Deutschland kennen, die aus Darmstadt vor dem Krieg geflohen ist und regelmäßig Briefe von ihrer Mutter aus der Heimat bekommt. 

Außerdem lernen wir einen Juden kennen, der gemeinsam mit seiner Familie um das Überleben kämpft und hören die Briefe eines Jungen, der an seine Cousine schreibt, die ebenfalls in der Region Mondsee lebt. 

Lange habe ich mich gefragt, wie die vier Handlungsstränge zusammenkommen. Letztendlich war das zwar gut gelöst, dennoch hatte ich auf etwas mehr Verbindung zwischen den verschiedenen Charakteren gehofft. Inhaltlich beschreibt die Geschichte nicht viel Neues, weil sie die Themen aufgreift, die einem während dem Krieg beschäftigen: Die Frage, was richtiges Handeln ist; ob sich das Kämpfen überhaupt noch lohnt; oder wie viel man für die Menschen tut, die man liebt. 

Durch die vier Perspektiven, die uns Arno Geiger hier zeigt, hatte ich mir eigentlich eine neue Sichtweise auf das Thema Krieg, oder die verschiedenen Positionen, in denen sich unsere Charaktere befinden, erhofft. Dennoch bewegt sich die Geschichte viel auf der Stelle bzw. wenn unsere Charaktere in die Handlung gingen, - besonders bei dem krankgeschriebenen Soldaten -, fiel es mir schwer, dessen Handlung nachvollziehen zu können, weil diese für mich häufig unbegründet bleibt. 

Obwohl mich der Inhalt von Unter der Drachenwand nicht packen konnte, beeindruckte mich Arno Geiger mit seinem Schreibstil. Den Handlungsstrang unseres Soldaten erzählt er aus der Ich-Perspektive. Alle anderen Handlungsstränge werden zwar ebenfalls aus der Ich-Perspektive aber auch aus der Briefform erzählt, was ich als interessante Abwechslung empfand. 

Im Handlungsstrang unseres Soldaten war es für mich spannend zu beobachten, wie sich eine Veränderung in den zwischenmenschlichen Beziehungen auf die Sprache auswirkt. So lernt der Soldat in Mondsee andere Leute kennen, die er aber nach ihrer Ortszugehörigkeit beschreibt. So spricht er von der Frau aus Darmstadt lange von der Darmstädterin. Das ändert sich erst, als sich die beiden anfreunden. Dann bekommt die Frau plötzlich einen Vornamen.

Beeindruckt haben mich auch die Handlungsstränge, die in Briefform geschrieben waren. Gerade die Briefe, die die Darmstädterin von ihrer Mutter bekommt, sind sprachlich sehr gut aufbereitet. Sie schwanken zwischen Sehnsucht nach der Tochter und Vorwürfen, dass sie von der Tochter verlassen wurde. Besonders interessant finde ich die Stellen, an denen die Briefe von der einen in die andere Richtung kippen. 

Was mich bei der Hörbuch Gestaltung etwas verwirrte, waren die vielen Sprecher*innen. Die Geschichte wird von Torben Kessler, Michael Quast, Cornelia Niemann und Torsten Flassig gelesen. Cornelia Niemanns Rolle ist klar: Sie liest die Briefe der Mutter, die aus Darmstadt an ihre Tochter schreibt. Ihre Interpretation hat mir unglaublich gut gefallen, weil sie diesen unmerklichen, oder manchmal auch sehr plötzlichen Wechsel in der Stimmung der Mutter unglaublich gut transportiert hat. 

Torben Kessler schlüpft hier in die Rolle des Soldaten und liest einen Großteil der Geschichte, Er hat eine helle, angenehme Stimmfarbe. Er hat es ebenfalls geschafft, die sprachlichen Feinheiten von Unter der Drachenwand gut herauszuarbeiten. Wenn die Perspektive des Soldaten aber in die Vergangenheit wechselte, hatte ich manchmal Mühe, Torben Kessler zu folgen, weil ich mir hier nicht sicher war, wann wir wieder in der Gegenwart und wann wir noch in den Erinnerungen des Charakters waren. 

Leider kann ich nicht sagen, welcher der beiden anderen Hörbuchsprecher welche Perspektive gesprochen hat. Beide Stimmen empfand ich als sehr angenehm. 

Was ich mir von Hörbüchern wünsche, die von mehreren Sprecher*innen gelesen werden ist, dass zu Beginn des Hörbuches erwähnt wird, wer welche Rolle spricht. Je nachdem wie viele Perspektiven es in der Geschichte gibt, klärt sich diese Frage meist von selbst. Allerdings ist es bei Hörbüchern mit mehr als drei Perspektiven häufig schwierig, den/die Sprecher*in der richtigen Perspektive zuzuordnen, vor allem, wenn man noch nicht alle Sprecher*innen kennt. 

 

Gesamteindruck 

Inhaltlich hat mich Unter der Drachenwand leider enttäuscht. Ich hatte mir hier mehr von der Geschichte erhofft, bin mir aber auch nicht sicher, ob ich einige Aspekte, der Geschichte vielleicht einfach nicht verstanden habe. 

Dennoch hat mich Arno Geiger mit seinem Schreibstil beeindrucken können. Ich kann mir also gut vorstellen, eines Tages nochmal zu Unter der Drachenwand zu greifen, um mit der Geschichte arbeiten zu können.