Rezension

Sprachlich kraftvoll, aber thematisch überfrachtet

Außer sich - Sasha Marianna Salzmann

Außer sich
von Sasha Marianna Salzmann

Bewertet mit 2.5 Sternen

Aufmerksam wurde ich auf dieses Buch durch den Deutschen Buchpreis 2017. Sasha Marianna Salzmann schaffte es mit ihrem Debütroman "Außer sich" bis auf die Shortlist. Natürlich ist das nicht unbedingt ein Garant, dass einem das Buch auch gefällt, aber bisher habe ich schon das ein oder andere besondere Buch im Rahmen dieses Buchspektakels für mich entdecken können. Ungewöhnlich war dieser Roman für mich in jedem Fall, aber auch eigenwillig und sperrig, wie die Charaktere dieses Buches und die Geschichte, die es erzählt.

Die Schreibweise ist kraftvoll und intensiv, die Wortwahl ungeschönt. Das Buch liest sich mit russischer Sprachmelodie, die noch durch die in kyrillischer Schrift eingewobenen Worte, die sich im Kontext selbst erklären, untermalt wird - ein merkwürdiges aber durchaus positives Lesevergnügen.

Vordergründig geht es um die Ich-Erzählerin Alissa, die ihr Mathematikstudium in Berlin abgebrochen hat, weil es sie vom Boxtraining abgehalten hat und die ihren spurlos verschwundenen Zwillingsbruder Anton sucht. Als eine Postkarte aus Istanbul ohne Text und ohne Absender ankommt, macht sie sich dort auf die Suche und blickt dabei auf ihr bisheriges Leben zurück. Auf die Zeit in der kleinen Zweizimmerwohnung im Moskau der postsowjetischen Jahre, als die Eltern aufeinander losgingen. Auf die Zeit in der westdeutschen Provinz, wo sie mit ihrem Bruder durch die Flure des Asylheims streunte und Zigaretten aus den Zimmern fremder Familien stahlen. Sie erinnert sich an die Erzählungen darüber, wie ihre Eltern und Großeltern sich kennen lernten. Insgesamt las ich lieber über die Vergangenheit Alis|sas, als über seine/ihre verwirrende und anstrengende Gegenwart, die so gar nichts mit der auf dem Klappentext erwähnten Suche nach ihrem Zwillingsbruder, sondern eher mit der Suche nach ihrem inneren Zwilling zu tun hatte.

Es geht um vieles in diesem Roman. Um Heimat und Migration, um Fremdenfeindlichkeit und Judenhass, um Familie und Herkunft, um Kindesmissbrauch und Inzest, um Identität und Transgender. Für mich waren es zu viele Themen, die hier auf 366 Seiten angerissen wurden und teilweise verwirrend daher kamen. Auch war dies das erste Buch, das ich bezüglich Transgender las und hatte das Gefühl, das es dem Thema und auch dieser Personengruppe nicht gerecht wird. Wenngleich mich die Thematik interessiert und ich darüber durchaus mehr erfahren möchte, konnte mich diese Geschichte nicht begeistern.