Rezension

Spurensuche in Köln und Umgebung

Der Hunger der Lebenden - Beate Sauer

Der Hunger der Lebenden
von Beate Sauer

"Der Hunger der Lebenden" der zweite Kriminalfall für Friederike Matthee, geschrieben von Beate Sauer (Ullstein Verlag)

Nach dem ersten Fall: "Echo der Toten", welcher im eiskalten Januar 1947 spielt, konstruiert die Autorin nun einen Kriminalfall im heißen Sommer des gleichen Jahres. Die junge Mitarbeiterin der Weiblichen Polizei, Friederike Matthee ermittelt in dem von Hunger und Zerstörung gezeichneten Köln und im naheliegenden, ländlichen Umland. Sie unterstützt die Polizei bei der Aufklärung eines Mordes an einer früheren Kollegin. Schnell verdichten sich die Beweise gegen die junge Ida Gerwing, die am Tatort aufgegriffen wurde. Das Mädchen ist polizeilich bekannt und war während der Zeit des Nationalsotialismus in einem Polizeilichen Jugendschutzlager inhaftiert. Zu einfach und praktisch scheint für Friedericke die Lösung, eine von den unzumutbaren Zuständen gezeichnetes Naturell dingfest zu machen. Sie zweifelt an der Glaubwürdigkeit der endgültigen Beweislage. Angetrieben durch ihre Neugierde deckt Friedericke Dinge auf, die so mancher Sympathisant nicht wahr haben will.

Auch Lieutenant Richard Davies von der Royal Military Police ermittelt in einem zurückliegenden Fall dreier ermordeter englischer Soldaten im Auftrag der Engländer. Sein vermutlich letzter Fall führt ihn aus England zurück nach Deutschland, bevor er seinen Dienst quittieren will. Ein erneutes Zusammentreffen der smarten Friederike und dem wortkargen englischen Lieutenant ist unausweichlich, da beide Kriminalfälle miteinander verbunden sind. ...

Beate Sauers Heldin beweist starke Nerven, unerschütterlichen Mut, und verfolgt beharrlich ihr Ziel mit dem nötigen Einfühlungsvermögen. Gereift an den Aufgaben der täglichen Arbeit bei der Weiblichen Polizei, ist sie entgegen Band 1 weder ängstlich noch unsicher. Sie lässt sich nicht durch Anweisungen abschrecken und umgeht diese zwar mit Gewissensbissen, doch äußerst geschickt. Sie ist entschlossen, die Wahrheit ans Licht zu bringen und vertraut ihrer Intuition und ihrem Bauchgefühl. Friedericke ist eine überaus reife Protagonistin, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten agiert und durch die Zusammenarbeit mit der Royal Military Police Täuschung und Verlust hinter sich lässt. Richard Davies steht Friederike zur Seite und besticht durch kühle Gedankengänge. Er ist ein sympatischer Weggefährte, der immer noch mit seiner Vergangenheit hadert. Diese beiden Hauptprotagonisten sind sehr überzeugend und die Kriminalgeschichte plausibel mit breit gefächerten Emotionen erzählt. Neben den Mordfällen besticht die Erzählung durch Friederickes und Richards unentschlossene und von der Vergangenheit gezeichnete Gefühlswelt. Stimmig folgt man den Beiden bis zum dramatischen und zugleich beruhigenden Finale. Die Handlung umrahmt am Anfang ein Prolog sowie ein Personenverzeichnis, ein ergänzendes Nachwort und eine Karte der Handlungsorte am Ende. Auf den 429 Seiten entsteht ein eindrucksvolles Panorama jener Zeit voll mit alltäglichen Kleinigkeiten zwischen Trümmern und Hunger, Ängsten, Tabus und Gefühlen.

Fazit: Einmal eingetaucht in den Roman rund um Friederike und Richard, haben mich die Zeilen tief in der Vergangenheit der deutschen Geschichte nicht mehr losgelassen. Ein historischer Kriminalroman, der nach Band 1: "Echo der Toten" (der mir ebenfalls sehr gut gefallen hat) gelesen werden sollte. 5 Sterne und gern mehr für diese vielseitige, spannende Lektüre.