Rezension

Starke Autobiographie in Romanform

Von dieser Welt - James Baldwin

Von dieser Welt
von James Baldwin

Als ich für eine Challenge zum Thema "Familiengeschichte" etwas lesen musste, verdrehte ich erst die Augen, hatte ich doch diese eher nicht meinem Lesegeschmack entsprechenden "typischen" Familienromane vor Augen. Auf die Buddenbrooks hatte ich auch gerade keine Lust. Doch dann wurde ich auf James Baldwin aufmerksam gemacht, seines Zeichens einer der berühmtesten Autoren Amerikas.

Noch vor "Moonlight" und der immer aktueller werdenden Diskussion über die Rechte von Minderheiten schrieb Baldwin über das Leben als Schwarzer und die Homosexualität. "Von dieser Welt" ist ein stark autobiographischer Roman, in dem der Autor eigene Erlebnisse aus seiner Kindheit und Jugend verarbeitet. Und das in den prüden 50er- und 60er-Jahren!

Dieses Buch hinterlässt Eindruck, selbst nachdem man es ausgelesen hat. Es spricht warm und deutlich direkt in unser Herz und zeigt, was eine dogmatische Religion alles anrichten kann. Dabei ist der Aufbau der Handlung von Anfang an sehr durchdacht und gekonnt inszeniert.

Erst sind wir beim jungen John, der in seinem Leben sehr zu kämpfen hat. Danach nähern wir uns über andere Familienmitglieder der alles dominierenden Vaterfigur an. Hier erklären sich die Hintergründe, weshalb John so zu leiden hat. Es sind Erklärungen, keine Entschuldigungen. Doch werden diese dem Leser Schritt für Schritt eröffnet und erläutert.

Oft frage ich mich, ob John es im 21. Jahrhundert besser hätte? Wahrscheinlich nicht, wenn man seine Lebensumstände betrachtet. Aber er hätte mehr Anlaufstellen, mehr Hilfe und würde vielleicht erfahren, dass er nicht alleine ist.

Das Buch liest sich ziemlich schnell weg, da die Schrift relativ gross gehalten ist. Dennoch will das nicht heissen, dass es einer dieser Titel ist, die man liest und dann vergisst. Eher im Gegenteil. Baldwin beschreibt seine Erlebnisse derart intensiv, dass man richtiggehend in diese familiäre Misere hineingezogen wird. Loslassen wird einem das Buch bestimmt nicht mehr. Mich auf jeden Fall nicht.