Starke Geschichte
Bewertet mit 4 Sternen
Soweit möglich, vermeide ich das Lesen anderer Kritiken zu einem Roman vor meiner persönlichen Lektüre und "checke" erst nach meiner Meinungsbildung, was andere Leser, oder Hörer eines Hörbuchs, wie in diesem Fall, an Eindrücken schildern.
Zwei markante Kommentare fielen mir online auf, die bei der Bewertung mit 3 von 5 bzw. 2 von 5 möglichen Sternen belegt war. Ich finde dies besonders erwähnenswert, weil ich dem "Komplettpaket" selbst 4 bis 4,5 Sterne "verpasse". Auffällig sind die 2 folgenden Statement zu "Die Hand im Moor":
a)
"Hubert vom Venn wollte selbst lesen... ...und keiner hielt ihn zurück. Beabsichtigte er, die oft dürftigen Dialoge mittels dramatischer Betonung zu retten? Das ging dann kräftig daneben. Es erinnert oft an provinzielles Schmierentheater. Mit dem rheinisch-ripuarischen Singsang, keineswegs der um Monschau gesprochene Dialekt, hat vom Venn weder sich selbst, noch den Hörerinnen und Hörern einen Gefallen getan. Deshalb verliert das Hörbuch, nicht jedoch die Story, meinen dritten Stern."
b)
"Es gibt einen guten Grund, warum Sprecher nicht schreiben und Autoren nicht sprechen sollten - sie können es einfach nicht! Das Beste zuerst: Die rheinische Sprachfärbung passt sehr gut zu diesem Werk. Aber ein Jürgen von der Lippe wäre eindeutig besser - natürlich auch teurer - gewesen. Doch Hubert vom Venn schafft es, mit seinem uninspirierten Vortrag, falschen Betonungen, falschen Akzenten und dem Verwechseln von Stimmen, jeden Handlungsstrang zu verhunzen und jede Spannung zu nehmen! Absätze werden überlesen, Pausen nicht gesetzt, falsch betont, nicht betont, falsch geatmet und damit der Spannungsbogen überspannt... Dies Alles und noch viel mehr führt dazu, dass man dieses Hörbuch eigentlich ausschalten will."
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Ich stelle dies SO DEUTLICH in den Vordergrund, weil ich komplett anderer Meinung bin: der Vorleser, der zugleich auch der Autor der Geschichte ist, ist im Grunde das Sahnehäubchen bei der Realisierung als Hörbuch. Der Herr Franke, besser als Hubert vom Venn bekannt, presst aus seiner Stimme alles heraus, um dem Roman in vertonter Fassung eine sehr eigene Note zu geben.
Jaja...!!! Es wird tatsächlich (aber seltenst) mal durch schnellen Übergang ein Absatz oder Umschwenk nicht sofort klar. Ja, und vielleicht wird auch sporadisch falsch geatmet. Aber der gesamte Einsatz der Stimme, um Situationen, Gefühle oder Stimmungen an sich zu unterstreichen, gelingt so genial, dass der Unterhaltungsfaktor steil nach oben ausschlägt.
Bei meiner persönlichen Verblüffung über die verschiedenen Meinungen zur Vertonung hätte ich nun fast die Geschichte als solche vergessen, die als Produktinformation wiefolgt lautet: Noch haben die Wirren des Dreißigjährigen Krieges die Einsamkeit der Moorlandschaft im Hohen Venn nicht erreicht. Im Kloster Richwinstein geht das Leben seinen Gang wie seit Jahrhunderten. Oder doch nicht? Plötzlich hallt ein markerschütternder Schrei über das nächtliche Moor. Peter L'allemagne, der Wirt einer einsamen Gastwirtschaft und sein jüdischer Freund Moyses kommen zu spät. Sie sehen nur noch eine Hand, die im Moor versinkt ... Bald darauf finden fremde Soldaten in das einsam gelegene Kloster, mit ihnen eine geheimnisvolle Kutsche. Mit der Ruhe ist es auf dem Venn zunächst vorbei. Es wird noch mehr Tote geben und eine erschütternde Wahrheit ...
Diese Beschreibung passt als Kurzbeschreibung, aber "Die Hand im Moor" bietet noch viel, viel mehr. Zunächst hat Franke alias vom Venn den Protagonisten so richtig gelungen Charisma und "Leben" eingehaucht. Gerade einem einsam im Venn lebenden Köhler, aber auch Peter l'Allemagne als Wirt im Venn und seinem jüdischen Freund Moyses gibt er soviel Persönlichkeit, dass man sie sich absolut auch bildlich vorstellen kann. Das gilt allerdings auch für andere Personen der Handlung. Genauso gelingt dem Autor, ein vorstellbares Bild des Venns und des damaligen Monschau zu schaffen, wie es gewesen sein mag. Dazu gehört auch das Klosterleben in Richwinstein, und wie es sein soll, hat der Autor - Lüttich nicht zu vergessen - auch die historischen Namen der Örtlichkeiten genutzt.
Überhaupt hat es den Anschein, dass der Venn-Franke sich historisch zuvor bestens vorbereitet hat, so dass die Story verdammt spannend ist und ohne Schwächen die Spannung bis zum Finale behält. Was, so eine Idee, mag wohl "Showdown" damals geheißen haben? Damit sind wir bei einem weiteren Umstand: der Autor schreibt in einer eher altertümlichen Schreibweise, und das setzt er vor allem genial bei den vielen Dialogen ein. Am liebsten ist mir nach wie vor ein häufiges "Schockschwerenot".
Grundsätzlich - wenngleich ich mich aufs Hörbuch beziehe, bin ich 100 % sicher, das auch die "lesbare" Fassung ebenso stark ist.
Aber damit bin ich nochmals bei der Audiofassung: nein, die Kritik an Hubert vom Venn als Vorleser passt nicht. Ich sehe es tatsächlich komplett anders. Zunächst ist die erste Regung beim Hören "nicht übel". Dies gilt für den Entry, der kurz in Hellental in der Neuzeit spielt. Aber fremd oder negativ war es bereits da nicht. Dann wird die Stimme und die Varianten deren Einsatzes allmählich vertraut, aber zum klaren Gewinner wird die Vertonung bei den Dialogen. Die Änderung vom Klang und ebenfalls der geschickte Einsatz entsprechender Nuancen macht den anderweitig als Vorleser kritisierten Autor zum richtig erfreulichen Vorleser. Und selbst wenn mal falsch geatmet wird, bleibt die Stimme sehr gut. Und sowieso:: ein Autor, der selbst vorliest, setzt ie Emotionen auch viel markanter.
Zugegeben, wenn Hubert vom Venn aus dem amerikanischen übersetzte Thriller vorlesen würde, hätte der sprachlich etwas rheinische Touch des Venn-Franke eine unfreiwillige Komik.
Berücksichtigt man aber den regionalen Bezug, war die Entscheidung gut, das der Autor die Geschichte selbst einliest. Die kleinen Schwächen erlauben höchstens einen minimalen "Punktabzug". Definiert man dies in allseits beliebten "Sternen" hat "Die Hand im Moor" von mir 4,5 von 5 Sternen :-)
P.S. - "Die Hand im" Moor" ist die Art Roman, der auch einige Jahre später nochmals hörens- und sicher auch lesenswert ist.