Rezension

Starker Tobac - mäßige Spannung

Der Insasse - Sebastian Fitzek

Der Insasse
von Sebastian Fitzek

Bewertet mit 3.5 Sternen

Während mich ein gutes Buch unterhält, mir für einige Zeit eine kleine Auszeit vom Alltag beschert, läuft bei genialen Büchern stets ein Film vor meinem geistigen Auge ab. Der Drehbuchautor ist der Verfasser des Buchs das ich gerade lese - während der Regisseur ich selbst bin. Die Spannung spielt sich somit nicht nur in Erwartung dessen ab, wie die Geschichte weitergeht, sondern auch in den (gedanklich) bewegten Bildern des Buches, dessen Film ich gerade drehe.

Für gewöhnlich produzieren diese Bilder einen spannenden Streifen. Einen spannenden Film, der sich dadurch auszeichnet, eine Empathie mit dem Hauptdarsteller (oder dessen Gegner) zu entwickeln, die bei diesem Film jedoch nie so richtig aufkommen wollte.

Die Story

Kinder verschwinden, werden auf offener Straße gekidnappt. Von einem psychopathischen Kindermörder. Mehrere Morde können aufgeklärt und der Täter verhaftet, in die Geschlossene eingewiesen, werden. Nur das Verschwinden des kleinen Max Berkhoff bleibt ein Rätsel. Ein Jahr nach seinem Verschwinden erklärt die Polizei den Jungen für Tot und schreibt die Tat dem in der Psychiatrie einsitzenden Tramnitz zu, doch dieser leugnet den Mord an dem kleinen Max.

Um die Wahrheit herauszufinden bleibt Till Berkhoff, dem Vater von Max, scheinbar nur eine Möglichkeit. Sich selber als Wahnsinnigen in die Geschlossene einschleusen zu lassen um mit dem Killer - Auge in Auge - das Verschwinden seines Sohnes zu klären. So scheint es bis zum Schluss..... ein Himmelfahrtskommando.

Mein Eindruck

Unmittelbar auf den ersten Seiten wird der Leser bereits mit voller Wucht ins Geschehen gerissen und Zeuge des brutalen Tramnitz, der für die Kindsmorde verantwortlich gemacht wird. Zeit zum durchatmen bleibt kaum, denn bereits auf Seite 44 ist die Absicht des Till Berkhoff klar. Er will sich in die Psychiatrie einschmuggeln, um das ungeklärte Verbrechen an seinem Sohn aufzuklären.

Der Großteil der Geschichte spielt sich also im Inneren der Anstalt ab. Der Ablauf ist großteils chronologisch verfasst mit wenigen Orts- und Handlungssprüngen. Eher ungewöhnlich, für die neueren Fitzek-Thriller, wie ich finde.

Als eher störend und weniger Spannend empfand ich die teilweise sehr ausführlichen Beschreibungen von Wut- und Schmerzexzessen. Die teils langgezogenen, teils auch wiederholten Umschreibungen von körperlichen Frakturen oder Schmerzempfinden der Klinikpatienten wirkten auf mich als wenn das Buch dadurch gestreckt werden soll. Die Handlung leidet darunter. Das Buch wirkt dadurch etwas langatmig. Hier wäre weniger sicherlich mehr gewesen.

Des Weiteren vermisste ich bei diesem Buch die Fitzek-typischen Spannungsbögen, die durch die sonst von dem Autor gerne genutzten "Cliffhanger" in den vorherigen Werken sehr intelligent eingesetzt wurden. Diese fallen bei Der Insasse insgesamt schmaler aus.

*** Wahrlich kein schlechter Thriller. Der Leser sollte sich jedoch auf "Starken Tobac" einstellen. ***

Ein weiteres Problem hatte ich damit, eine wirkliche Empathie für einen der Protagonisten aufzubauen. Zumindest bei Till Berkhoff, dem geschundenen Familienvater sollte dies der Fall sein (so hat es Fitzek sicherlich beabsichtigt). Jedoch sprang der Funke zu keiner Zeit wirklich über. Vielleicht wirkte die Story zu konstruiert, glich zu sehr einem Himmelfahrtskommando, als das man als Leser hier mitfiebern konnte. Vielleicht war dies einer der Gründe, warum das Spannungsniveau bei diesem Buch eigentlich ständig unter meinen Erwartungen blieb.

Insgesamt möchte ich dann aber doch von einem guten Thriller sprechen. Fitzek legt durch die soliden und überdurchschnittlich guten Thriller der letzten Jahre die Messlatte eben sehr hoch an. Insofern kommt Der Insasse meines Erachtens nicht ganz an die Klasse der letzte. Bücher heran, ist insgesamt für Freunde hartgesottener Literatur eine Empfehlung wert.

Fazit

Es ist wahrlich kein schlechter Thriller, den Fitzek hier verfasst hat. Der Leser sollte sich jedoch auf "Starken Tobac" einstellen. Weniger Umschreibungen der Gewaltexzesse und dafür etwas mehr Handlungsstrang hätten dem Buch gut getan.

Die Thematik ist vielleicht nicht für jeden geeignet. Kindstötung in Kombination mit sadistisch veranlagten Psychopathen ist eben harte Kost. Wer in einer Leseprobe das erste Kapitel übersteht und für gut befindet wird jedoch mit dem Buch einen soliden Thriller bekommen.