Rezension

Starker vierter Band - die Reihe wird auf Deutsch fortgesetzt

Der Rote Stab von Macao - Ian Hamilton

Der Rote Stab von Macao
von Ian Hamilton

Bewertet mit 5 Sternen

Ava Lee ist nach ihrem letzten Einsatz in der chinesischen Provinz  Hubei noch nicht wieder zu Atem gekommen, als sie sich um eine dringende Familienangelegenheit kümmern muss. Ihr älterer Bruder Michael aus der ersten Ehe ihres Vaters hat in Macao ein Immobiliengeschäft in den Sand gesetzt, das die Geschäfte seines Vaters und damit die Existenz der gesamten Familie Lee (mit drei Ehefrauen und 8 erwachsenen Kindern) ruiniert haben könnte. Michael, der als erster Sohn einmal Oberhaupt des Clans sein wird, und Ava haben sich erst kürzlich zum ersten Mal getroffen. Ava lebt, wie ihre Mutter und ihre Schwester in Toronto und ist auf schwierige Fälle spezialisiert, in denen Geschäftspartner gegen das Gesetz von Treu und Glauben verstoßen und sich mit Geldbeträgen in Millionenhöhe abgesetzt haben. Michael hat einem Freund vertraut, der einem Freund vertraut hat – der Ruf beider Geschäftsleute wurde nicht überprüft und der geschlossene, überaus wortkarge Vertrag, schon gar nicht. Wenn zukünftige Bosse unbedingt aus eigenen Fehlern lernen müssen, warum müssen es gleich Millionensummen sein, könnte man sich hier fragen.

Ava übernimmt den Fall als „reine Familienangelegenheit“ -  für sie bedeutet das, dass sie ihren chinesischen Geschäftspartner „Onkel“ Chow nicht informiert – und schneidet sich damit von Onkels umfangreichem Wissen und seinen Beziehungen zu den chinesischen Triaden ab. Man fragt seinen väterlichen, hoch geachteten Partner ja nicht unbedingt, Onkel hast du eigentlich früher mal für die chinesische Mafia gearbeitet. Ebenso wenig würde Ava fragen, Onkel hast du schon mal über deine Nachfolge nachgedacht. Während in Hongkong und Macao Avas Telefone heiß laufen, können Ian Hamiltons Leser der kessen Kanadierin mit chinesischen Wurzeln dabei über die Schulter schauen, wie sie Michaels Millionen zurückzuholen versucht. Als einer der Beteiligten entführt wird, ist auch Ava klar, dass sie ohne spezielle Kenntnisse über die Sitten in Macao und ohne Onkels kräftige Kerle mit den riesigen Tattoos nicht weiterkommen wird. Dass man nicht auf Märkten aktiv werden soll, über die man nichts weiß, sollte sie inzwischen gelernt haben. Zu ihrer eigenen Verblüffung arbeitet Ava hier erfolgreich mit zwei starken Frauen zusammen, von denen sie sich eine nicht aussuchen konnte und die andere bisher völlig unterschätzt hat. Ihr Guanxi-Netz erhält ein paar Knoten mehr und über Onkel Chow erfährt sie Überraschendes.  Der Rote Stab ist übrigens eine Funktion/Rolle innerhalb der chinesischen Triaden.

Mit Hamiltons Krimireihe ließe sich perfekt eine Vorlesungsreihe zur Vorbereitung von Geschäftsleuten auf den chinesischen/asiatischen Markt bestreiten. Die Reihe an sich ist genauso aufgebaut, wie sich Guanxi bildet, ein Netz aus gegenseitigen Kontakten und Verbindlichkeiten, in dem man sich seine Kontaktpersonen nicht unbedingt wählen kann. Vom Vater-Sohn-Nachfolgekonflikt, der Rolle asiatischer Frauen im Geschäft, über konfuzianische Werte, Wahrung des Gesichts, bis  zur dem Land angemessenen Verhandlungstaktik bringt der 4. Band alles mit, was im Geschäftsleben mit Chinesen und Exil-Chinesen benötigt wird.

Auf meiner persönlichen Agenda stehen in den  weiteren Bänden der Ava-Lee-Reihe nun die Fragen: wie stellt sich Onkel Chow die weitere Zusammenarbeit mit Ava vor und wie chinesisch ist Ava eigentlich? Katholisch erzogen und zugleich dem chinesischen Aberglauben eng verbunden – man soll ja nie auf nur ein Pferd setzen …

5. Der schottische Bankier von Surabaya