Rezension

Sterben in der Fremde

Sterben im Sommer - Zsuzsa Bánk

Sterben im Sommer
von Zsuzsa Bánk

Bewertet mit 5 Sternen

Zsusza Bánks Vater war unheilbar an Krebs erkrankt und die Familie wollte - ein letztes Mal - gemeinsam den Sommer-Urlaub am Balaton verbringen. Sie alle verbinden mit dem Urlaub am See die unendliche Freiheit einer „großen Schwimmerei“ (für die es keinen deutschen Ausdruck gibt), das Schwimmen einer weiten Strecke. Jeder hier warf schon morgens beim Aufstehen einen Blick auf die Wasseroberfläche des Sees mit dem Gedanken an die heutige Schwimmstrecke. Das Schwimmen im See schlägt einen Bogen zu Bánks Erstlingsroman „Der Schwimmer“, in dem eine Mutter nach dem Ungarnaufstand 1956 in den Westen flieht und Mann und Kinder zurücklässt. In der Gegenwart erinnert sich die Mutter der Icherzählerin, wie sie 1973 in Deutschland durch ein Telegramm in ungarischer Sprache vom Tod ihres Vaters erfuhr und wie kompliziert es für sie damals war, zu seiner Beisetzung nach Ungarn zu reisen. Auch sie war aus Ungarn in den Westen geflüchtet, hatte jahrelang Angst vor dem ungarischen Staatsschutz gehabt. Ihre Briefe nach geglückter Flucht wurden von den Behörden abgefangen und ihre Eltern lange in Ungewissheit gelassen. Der nahende Tod des Mannes holt Erinnerungen hervor, wie Menschen früher mitten aus dem Leben heraus starben und wie bildhaft darüber gesprochen wurde, wenn zum Tod ein Blitz einschlug oder die Uhr stehen blieb.

In der Gegenwart erweist sich das Familientreffen am Balaton als Komplikation, als es Bánks Vater plötzlich so schlecht geht, dass er von dort in ein österreichisches Krankenhaus gebracht werden muss. Der Patient steckt nun mitten zwischen mehreren Welten, seiner Heimat, aus der er 1956 flüchtete, seinem deutschen Wohnort, an dem seine Kinder aufwuchsen, und einem Krankenhaus in einer fremden österreichischen Stadt. Nach der Verlegung des Vaters nach Deutschland erlebt Zsusza Bánks Familie beispielhaft das Lebensende eines nahestehenden Menschen in einer fremden Umgebung, das der Patient sich so nicht gewünscht hat. Kinder und Enkel können sich ohne den Vater und Großvater spontan keine Urlaube am Balaton mehr vorstellen, jedenfalls nicht im Haus dieses Sommers. Zsuzsa Bánk erzählt die Geschichte einer durch den Kalten Krieg zwischen Ost und West und die Flucht aus Ungarn getrennten Familie. Briefe und Erinnerungsstücke spielen hier eine besondere Rolle und Bánk wird bei der Abwicklung des Nachlasses mit dem Leben beider Eltern konfrontiert, das vor ihrer Geburt stattgefunden hat. Ihre Rolle wird nun sein, die Erzählungen ihrer Eltern aus deren Kindheit zu bewahren und weiterzutragen.

„Sterben im Sommer“ erzählt Zsusza Bánk im Jahreslauf von Sommer zu Sommer. Ihre persönliche Familiengeschichte zeigt einige Längen, wenn es um die Gegenwart geht, bleibt jedoch mit dem wichtigen Thema Sterben fern der Heimat ein Buch zum Behalten und Wiederlesen.