Rezension

Stille schon beim Lesen erfahren

Stille - Erling Kagge

Stille
von Erling Kagge

Bewertet mit 4 Sternen

Erling Kagge, geboren 1963 in Oslo, ist Abenteurer, Verleger, Jurist, Autor und Kunstsammler. Seine vielseitigen Interessen ermöglichen es ihm, bestimmte Themen aus den verschiedensten Perspektiven zu beleuchten und authentisch zu beschreiben. Ein wahrer Erfahrungsschatz!

Durch eine Vorlesung über „die Stille“, die er an der St. Andrews-Universität in Schottland hielt, kam Kagge auf die Idee, angeregt durch die Fragen der Studenten, ein Buch, einen „Wegweiser“ über „die Stille“ zu schreiben.

Im Dialog und Diskurs mit vielen Freunden und Wegbegleitern (wie Marina Abramovic, Jon Fosse, Elon Musk, Borge Ousland, Oliver Sacks) versucht er Antworten auf die drei elementaren Fragen

„Was ist Stille? Wo ist sie? Warum ist sie heute wichtiger denn je?“ (S. 7.)

zu finden.

So entstand ein aus 33 Kapiteln bestehender, sehr persönlicher, Antworten-Katalog, in dem die Philosophie, die Kunst, die Mathematik, die Literatur aber auch vor allem autobiographische Erlebnisse zu Wort kommen.

Erling Kagge ist als Abenteurer sehr viele alleine (oder mit einem Kumpanen) – und das über längere Zeiträume – unterwegs. Dabei erwandert er die abgelegensten Orte dieser Welt, die man sich nur vorstellen kann. Dazu zählen Nord- und Südpol, Wüsten, verschiedenste Berggipfel, städtische Abwassersysteme etc. Ganz auf sich gestellt erfährt er im Alleinsein auch die Stille. Hier umgibt ihn diese (absolute) Stille, nach der er sich sehnt und in/mit der er sich wohlfühlt.

Was aber, wenn es an dem Ort, an dem man ist, keine Stille um einem herum gibt?

Dann, so Kagge, muss man man sich selber eine Stille schaffen. Jeder kann sie finden. Er nennt sie „die Stille in mir“ (S. 19). Man kann diese innere Ruhe, eine innere Zufriedenheit, finden. Jeder hat seinen eigenen Zugang, die einen beim Stricken, Yoga, Lesen, Laufen etc. und andere vielleicht beim Holzstapeln oder Meditieren. Wenn man ganz bei sich ist, alles andere draußen lässt, dann hat man diese Stille gefunden oder auch für sich 'erfunden'. Und eins sollte jedem klar sein, es gibt nicht „DIE“ Stille, denn aufgrund der Tatsache, das wir Individuen sind, ist jede Stille anders, sie ist individuell und wird dadurch auch unterschiedlich empfunden!

Erling Kagge will mit diesem Buch Anregungen schaffen, helfen, sich mal mit sich selbst zu beschäftigen, wenn man Ruhe und Stille sucht. Wir sollen nicht immer auf Hilfe von Außen hoffen, denn in uns selbst steckt das Potenzial. Wir müssen lernen, auf uns selbst zu hören und uns selbst zu vertrauen. Gerade in der heutigen Zeit, in der Vieles vom Technischen Fortschritt diktiert wird, ist es wichtig, Ursprünglichkeit wieder zuzulassen, um uns aus Abhängigkeiten losreißen zu können.

Mir gefällt dies persönliche Note. Die Anekdoten sind schön erzählt, so dass man sich die Situationen gut vorstellen kann, man kann gut 'mitfühlen' und 'nachvollziehen'.

Wissenschaftliche oder auch philosophische Episoden werden mit Kagges Erlebten veranschaulicht und wirken dann nicht mehr so abstrakt. Auch lockern und bereichern schöne Landschaftsaufnahmen und Bilder dieses Buch auf.

Das Cover ist sehr, sehr schlicht. Nur Name des Autors und der Titel stehen in einem einfachen Schriftbild auf dem Buchdeckel. Vielleicht soll diese Einfachheit auch eine graphische Stille symbolisieren, aber es verleitet nicht unbedingt dazu, in die Hand genommen zu werden.

Oder vielleicht gerade deshalb!? Weil es zwischen den bunten Covern - puristisch gehalten - eine Aufmerksamkeit durch Einfachheit erzeugt?!

Durch das Buch „Gehen. Weiter gehen“ (Kagge, 2018), welches ich vor kurzem gelesen habe, bin ich auf weitere Werke des Autors gestoßen und habe beschlossen, das gutbewertete Vorgängerbuch „Stille“ zu lesen.

Ich empfehle das Buch „Stille“ weiter. Es passt nun richtig in die „Stade Zeit“, wenn man Zeit zur Besinnung braucht und sucht. Es ist ein ideal, sich über den Wert der Stille bewusst zu werden.

Man lernt, Ruhe zu schätzen. Man braucht nicht ständig eine Geräuschkulisse! Also auch mal ohne Radio oder ständiges Plappern etwas tun, oder auch mal nichts tun!

(Auch wenn ich nun etwas aushole:

Beim Lesen kam mir dann auch das Lied „Stille Nacht, heilige Nacht“ in den Sinn.

Ich denke, es drückt viel aus. Wenn man es hört, dann spürt man diese Ruhe und Stille, die in dieser Nacht geherrscht haben. Ruhe und himmlischer Frieden, etwas Wohliges trotz Kälte.

Naja, und bald wird dieses Lied ja wieder in vielen Räumen und zu entsprechenden Anlässen gespielt / gehört werden und lässt wohl viele den Zauber dieser Nacht spüren.)