Rezension

Stilles, zartes Buch über Schnecken und das Ertragen einer Krankheit

Das Geräusch einer Schnecke beim Essen - Elisabeth Tova Bailey

Das Geräusch einer Schnecke beim Essen
von Elisabeth Tova Bailey

Bewertet mit 5 Sternen

Großartiges Buch - eigenwilliger Titel, Mischung aus Sachbuch über Schnecken, persönlicher Krankheitsgeschichte, philosophischen Gedanken

Schnecken? Igitt, schleimig, überfallen den Garten, treten oft in Massen auf, nackt oder mit Häuschen. Brauchen wir die?

Nachdem ich gestern Abend mit dem Buch begonnen hatte, habe ich gleich heute Morgen die Schnecke mit Häuschen aus der geleerten Biotonne gerettet, die ich gestern zwar wahrgenommen, aber ignoriert hatte, nach dem Motto: Soll sie doch selbst sehen, wie sie da raus kommt. Jetzt schäme ich mich fast und das liegt an der liebevollen Beziehung zwischen einer kranken Journalistin zu einer Schnecke, die in diesem wunderbaren Buch geschildert wird.

Elisabeth Tova Bailey hat sich bei einer Europareise infiziert (Virus? Bakterium?) und erkrankt schwer, wahrscheinlich an durch Zecken übertragener FSME, wie sich aber erst nach Jahren herausstellt. An den neurologischen Folgen leidet sie unvorstellbare 20 Jahre, eine Tragödie. Sie hat immer wieder Rückfälle und liegt monatelang pflegebedürftig im Bett. Doch das erzählt sie ohne wehleidig zu sein wie nebenbei und ohne Jammerei. Eine tapfere Frau! Aber dies ist ohnehin nicht Schwerpunkt des Buches.

Was sie die schlimmste Zeit überstehen lässt und ihr Trost und Kraft gibt ist eine kleine Schnecke. Eine Freundin hat sie ihr an einem Veilchen im Topf mitgebracht. Elisabeth füttert sie, beobachtet sie und entdeckt Erstaunliches an der Lebensweise und dem Verhalten der Schnecke. Sie findet sogar Parallelen zwischen sich und diesem winzigen Tierchen. Zunehmend beschäftigt sie sich mit Mollusken, mit Literatur und Fachliteratur (zurück bis Darwin) und schafft es, dem Leser anschaulich und verständlich über das Leben der Schnecken zu berichten ohne zu langweilen.

Dieses kleine Büchlein hat mir nicht nur Schnecken 'sympathisch' gemacht, sondern wieder einmal gezeigt, wie wir Menschen in unserer Überheblichkeit solchen Tieren ihren Wert absprechen. Es steckt mehr in ihnen als man denkt. Von nun an werde ich Schnecken mit anderen Augen sehen.

Ein wunderbares Buch für Naturliebhaber und Leser von stillen Büchern.