Rezension

Stimmungsvoller Serienauftakt

Die Chemie des Todes - Simon Beckett

Die Chemie des Todes
von Simon Beckett

Bewertet mit 4.5 Sternen

Sterben kann ewig dauern

„Eine solche Sache holt das Schlimmste aus jedem heraus. Manham ist ein kleiner Ort. Und kleine Orte erzeugen kleine Geister. Vielleicht bin ich übermäßig pessimistisch. Aber wenn ich du wäre, wäre ich auf der Hut.“

 

Inhalt

 

David Hunter flieht vor seinen schmerzhaften persönlichen Erinnerungen, die ihn immer wieder an den Unfalltod seiner geliebten Frau und der gemeinsamen Tochter erinnern von London in die Kleinstadt Manham. Dort möchte er an der Seite des ansässigen Allgemeinmediziners Henry Maitland Fuß fassen und ein neues Leben beginnen. Doch kurz nach seinem Erscheinen beginnt eine Mordserie, bei der es der Täter auf junge, attraktive Frauen abgesehen hat, die angeblich keine Feinde hatten. Bedächtig wählt er seine Opfer aus, und schickt ihnen kurz vor der Entführung eine kleine Warnung, indem er ihnen geschändete Tiere schenkt. Gegen seinen Willen wird David bald in die Mordermittlung involviert, nicht nur weil er die Opfer kannte, sondern vor allem wegen seiner beruflichen Qualifikation, die im Rahmen der Aufklärungsarbeit von höchster Bedeutung ist. Sein Wissen über die Verwesungsprozesse des menschlichen Körpers führen dazu, dass sich der mögliche Täterkreis weiter eingrenzt, doch von einem durchschlagenden Erfolg ist die Polizei noch weit entfernt. In der Zwischenzeit wird schon die nächste Frau entführt, und mit dieser hatte David gerade die Hoffnung auf eine neue Liebe entdeckt …

 

Meinung

 

Der britische Bestsellerautor Simon Beckett startet seine David-Hunter-Reihe mit einem bedrückenden, eher stillen und dennoch grausigen Geschehen, welches stellenweise sehr detailliert die Verwesungsvorgänge im Inneren eines menschlichen Körpers schildert, wenn dieser der Natur anheimfällt, nachdem ihm tödliche Verletzungen zugefügt wurden. Sehr umfassend und eindringlich beschreibt Beckett aber nicht nur den Tod, sondern auch die lebendigen Akteure seiner Geschichte. Der Schauplatz einer Kleinstadt bietet sich dafür hervorragend an, wachsen dort das Misstrauen und die latenten Feindschaften doch viel schneller als in großen Gemeinden, weil jeder jeden kennt und Fremde ganz genau unter die Lupe genommen werden.

 

Für Abwechslung sorgt die gewählte Erzählperspektive, denn obwohl David Hunter direkt an der Mordserie beteiligt ist, nimmt er weder die Rolle des Opfers, noch die des Täters ein und er ist auch nicht der leitende Polizist. Dieser Blickwinkel erlaubt ein gleichermaßen nahes, wie differenziertes Modell bezüglich der Mordserie und ihres Verlaufes. Als Leser ist man weder zu nah dran, um direkt zu erahnen, was der Täter möchte, noch sind einem die Hände gebunden, wie es manchmal aus Sicht der Beamten geschehen kann. Dadurch ergibt sich natürlich auch ein hoch dramatischer Handlungsverlauf, denn Zivilisten treffen nicht immer gute und sichere Entscheidungen, ganz besonders dann nicht, wenn die Opfer ihre besondere Aufmerksamkeit haben.

 

Dennoch gelingt es dem Autor alle Positionen deutlich zu charakterisieren, er fühlt sich in die aussichtlose Lage des Opfers ein, beleuchtet aber auch die verstörenden Gedankengänge des Täters und nimmt Teil am auseinanderbrechenden Gemeindeleben, bei dem der Pfarrer plötzlich zum Richter wird und die unscheinbare Hausfrau dunkle Vorahnungen hat.

 

Fazit

 

Ich vergebe 4,5 Lesesterne (aufgerundet 5) für diesen sehr stimmungsvollen, effektiven Thriller, der auf positive Art und Weise eine intensive, dunkle Geschichte erzählt, die sich immer nah an der Realität bewegt. Eine gut nachvollziehbare ausgereifte Handlung, die gleichermaßen Spannungs- wie Aufklärungsmomente hat und einen objektiven, ehrlichen Hauptprotagonisten, dem man seine Entscheidungen abkauft. Empfehlenswert für alle Leser, die gerne das Subtile mögen und fehlende Action nicht mit Spannungsarmut gleichsetzen, denn sowohl Menschen als auch ihre Interaktionen bilden den Kern der Geschichte und so sind es auch ihre Verfehlungen, die als Motivator für mörderische Aktivitäten dienen – keine Hetzjagd, keine Polizeigewalt, nur das langsame, stetige Voranschreiten einer ablaufenden Zeit …